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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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noch zwei Kunden vor dem Deutschen an der Reihe, und siedend heiß fiel Hyperion ein, dass er sich selbst hätte anstellen müssen. »Gehen Sie ruhig vor mich«, sagte Victor, als läse er seine Gedanken. »Ein Arzt hat es ja immer eilig, und ich habe mir eine Stunde freigenommen.«
    »Um zur Post zu gehen?«
    Mit unverhohlenem Stolz hob Victor den Beutel. »Die Post eröffnet heute ihre Kampagne Sparverträge für den einfachen Mann. Ich möchte zu den Ersten gehören, die ihr Erspartes in ein Sparbuch einzahlen.«
    Nicht ohne Bewunderung betrachtete Hyperion den Beutel. »Ihnen liegt wohl sehr viel daran«, murmelte er lahm.
    »Alles«, erwiderte Victor. »Jede Woche zahlt man in sein Sparbuch ein und bekommt eine Marke zum Einkleben. Wenn mein Buch voll ist, hole ich das Geld und kaufe mir ein Haus.«
    »Sie wollen mit diesen Marken so viel Geld sparen, dass es für ein Haus reicht?«
    »Es muss nicht groß sein«, sagte Victor. »Meine Schwester und ich, wir brauchen nicht viel. Sie sind an der Reihe, Dr. Weaver.« Ohne Federlesens schob er ihn vor sich. Erwartungsvoll sah ihm der Angestellte auf dem Schalterplatz entgegen.
    »Oh, entschuldigen Sie.« Hyperion schob seine Umschläge unter die Scheibe. Der Angestellte zählte sie und nannte ihm den winzigen Betrag, den die Versendung kosten würde.
    Mit beiden Händen fuhr sich Hyperion in die Hosentaschen. In der Früh hatte er einen Haufen Kleingeld eingesteckt, aber jetzt fand er nicht einmal einen Knopf. Dann fiel ihm der Alte ein, der für sein Antiphlogistikum nicht hatte bezahlen können, und die Frau mit den Zwillingen, denen er Geld für die Suppenküche mitgegeben hatte. Der Angestellte wiederholte den lachhaften Betrag.
    Hyperion, dem klar war, dass er keinen Penny finden würde, konnte nicht aufhören, in seinen Taschen zu wühlen. Was, wenn jemand, der ihn kannte, zu Daphne davon sprach? Hatte er sich nicht geschworen, Daphne jegliche Sorge zu ersparen? Seine Wangen glühten. Er öffnete den Mund, wusste aber nichts zu sagen.
    »Lassen Sie mich das machen.« Der Deutsche, der, wie er sich jetzt besann, Victor März hieß, zog seinen Geldbeutel auf und ließ Münzen auf die Theke purzeln. »Stimmt es so? Genügt es für die Briefe?«
    »Ich gebe es Ihnen zurück«, stammelte Hyperion. »Ich habe wohl heute in der Früh meine Börse vergessen …«
    »Betrachten Sie es als Geschenk«, entgegnete der Deutsche schlicht. »Ein Verlobungsgeschenk von einem Mann, der nicht viel hat. Bitte grüßen Sie doch Miss Mildred. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das für mich täten.«

    Als Hyperion heimkam, wurde es eben dunkel. Er war noch bei Daphne gewesen und erst aufgebrochen, als sein Gewissen ihn drängte. Ewig konnte er sich nicht drücken, es war des Mannes, der Daphne Adams heiraten durfte, nicht würdig. Irgendwann musste er mit seiner Großmutter sprechen. Irgendwann musste er aufhören, im Zickzack durch die Stadt zu laufen, um seinem Bruder auszuweichen.
    Vor dem Portal stand Mildred und fegte die Treppe. Ein Anblick für Götter. Hatte sie nicht zugelegt, seit sie auf Mount Othrys lebte, und gab es eine Haube, die ihre Massen von Haar im Zaum hielt? Er blickte auf, um statt ihr beim Besenschwingen dem alten Kronos beim Sterben zuzusehen. »Sie sollten das nicht tun«, sagte er.
    Sie hielt inne. »Tue ich es nicht zu Ihrer Zufriedenheit?«
    »Doch, Mildred, sogar sehr.« Ein Seufzer entfuhr ihm. Hier hatte er ein weiteres Problem an der Hand und wusste nicht einmal, worin es bestand. »Es erscheint mir nur nicht richtig, Sie solche Arbeiten machen zu lassen.« Wenn deine Schwester wüsste, dass ich dich noch immer als Dienstmagd halte, wäre sie entsetzt.
    »Sie bezahlen mich dafür«, erwiderte Mildred, ging aber zwei Stufen hinauf und lehnte den Besen an die Hauswand. »Trotzdem haben Sie recht. Es ist nicht richtig so.« Sie sah ihm geradewegs ins Gesicht. Empört, als würde er ihr etwas schulden, und ehe er sich’s versah, war ihm ein Lächeln entglitten.
    Er setzte sich auf die Treppe und klopfte auf den Platz neben sich. »Haben Sie Zeit? Ich hätte Ihnen etwas zu sagen.«
    Skeptisch musterte sie ihn. »Ich weiß, es schickt sich nicht, dergleichen in den Mund zu nehmen«, sagte sie. »Und mich geht es auch nichts an, denn es ist ja Ihr Hosenboden, den Sie sich ruinieren, aber bemerkt haben wollte ich es doch.«
    Verblüfft erwiderte er ihren Blick, dann lachte er schallend los. »Tun Sie mir eine Liebe, Mildred, ruinieren Sie sich den

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