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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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Haushalt in Mount Othrys. Würde Hyperion weniger arbeiten müssen, wenn der Bedarf an Holz so schwungvoll stieg?
    Gern wäre sie weitergelaufen und hätte sich vom Meer begrüßen lassen, von den Wellen, die wie verspielte Tiere an ihren Schuhspitzen leckten. Wenn sie aber für Daphne Kleid und Hut und womöglich noch Strümpfe erwerben wollte, nahm sie besser die Beine in die Hand.
    Nach einigem Umherirren fand sie in einer Seitengasse den Hut, den sie gesucht hatte. Er stand allein in einem Schaufenster, als hätte er dort auf sie gewartet. Wenn sie ein blassrosa Kleid dazu erstand, würde nicht einmal Nell Weaver Daphnes Liebreiz widerstehen können. Kurz entschlossen betrat sie das Geschäft. Hinter dem Ladentisch beugte sich ein Mann mit Kneifer über eine Hutschachtel, die er für eine auffällig aufgeputzte Kundin verpackte. »Ich möchte den Hut aus dem Fenster kaufen«, ließ Mildred ihn wissen. »Den weißen mit den Seidenbändern.«
    Die Kundin, die über ein bemerkenswertes Hinterteil verfügte, drehte sich um. »Der ist zur Ansicht«, brummte der Mann. »Wir fertigen nur nach Kundenwünschen. Am besten begibt Madam sich selbst her, oder wir vereinbaren einen Besuch.«
    »Der Hut ist für meine Schwester«, entfuhr es Mildred. Die Dame mit dem immensen Hintern stieß ein schrilles Lachen aus.
    »Dienstboten zählen wir nicht zu unseren Kunden.« Der Mann wandte sich wieder der Hutschachtel zu, die er mit grünem Band umwickelte. »Du bist neu hier, was? Auf dem Kleidermarkt bist du besser bedient, den gibt’s jeden Donnerstag in Portsmouth, gleich hinter der Gewürzinsel.«
    Mildred wurde kalt vor Zorn. Mit einem Satz stand sie vor dem Hutmacher, wischte die Schachtel beiseite und stützte die Hände auf die Theke. »Ich bin keine Dienstbotin, und meine Schwester schon gar nicht. Ich bin die Verlobte von Dr. Weaver, und wenn Sie mir nicht gleich diesen verdammten Deckel holen, bekommen Sie’s mit meinem Bräutigam zu tun.«
    Der Mann trat zurück und rieb sich den Ärmel, als hätte Mildred ihn bespuckt.
    »Miss Adams?«
    Mildred erschrak und sah zur Seite. Vor ihr stand die aufgeputzte Frau mit dem Hintern. Sie hatte ein kugelrundes Gesicht, in dem die kleine Nase wie erdrückt wirkte.
    »Ich hoffe, mein Mann hat Ihnen bereits unseren Dank ausgesprochen. Zu Ihrem Verlobungsempfang werden wir zugegen sein.« Beim Reden fuchtelte sie wild mit den pummeligen Händen, dann hielt sie Mildred die Rechte hin, zog aber den Handschuh nicht ab. Ehe Mildred einschlagen konnte, wandte sie sich dem Hutmacher zu. »Das Fräulein ist meine künftige Schwägerin. Nein, wundern Sie sich nicht, ich tue es schon lange nicht mehr. Packen Sie den Musterhut oder woran sie ihr Herz gehängt hat ein und setzen Sie es in Gottes Namen uns auf die Rechnung. Dieses Mount Othrys ist ohnehin der dickste Nagel zu meinem Sarg.«
    »Ich zahle selbst«, fauchte Mildred. Sie zerrte ihre Geldbörse aus der Tasche und entleerte den Inhalt auf die Theke.
    »Herzig«, kommentierte die Dame. »Regelrecht herzig.«
    Der Hutmacher sortierte Mildreds Geldstücke der Größe nach und strich sie ein. Zwei Farthing-Münzen und einen Penny ließ er liegen. Mildred schnappte nach Luft. Das Geld für einen lumpigen Hut hätte ihr gereicht, um auf Monate in Saus und Braus zu leben. Während das weiße Nichts in einer Schachtel verpackt wurde, versuchte sie sich zu beruhigen: Du hast doch Geld genug. Du bist nicht mehr arm und wirst es nie wieder sein. Die Schachtel, die der Mann ihr reichte, sah sie kaum an.
    »Richten Sie doch Hyperion Grüße aus«, flötete die Dame mit dem Hintern. »Ach, und sollten Sie sich fragen, wer vor Ihnen steht, weil mein Schwager es nicht für nötig hielt, mich zu erwähnen – ich bin Bernice Weaver, geborene Lewis, einzige Schwester des Port Admirals.«

    Vor dem Geschäft wartete Bernice Weavers Hausdiener, aber er sah seine Herrin nicht an. »Miss Mildred!«, rief er stattdessen. Erfüllt von Sehnsucht, als würde er seit Wochen auf sie warten. Er trug auf dem dichten Haar keine Kappe und statt der Navvy-Weste einen dunklen Anzug, der über seinen Schultern spannte.
    Mildred wollte ihn nicht ansehen, weder sein Haar noch seine Schultern, sondern weitergehen.
    »Miss Mildred!«, rief er ihr hinterher, machte schnell ein paar Schritte und griff nach ihrem Arm.
    Sie stieß den Ellbogen nach hinten, traf ihn und atmete auf. »Lassen Sie mich in Ruhe, ich habe mit Ihnen nichts zu schaffen.«
    Der Schmerz, der über sein

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