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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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Königin, Anfang Dezember an Typhus erkrankt und binnen weniger Tage gestorben. Die Geißeln der Menschheit – Typhus, Cholera, Fleckfieber – machten auch vor den Toren der Paläste nicht halt. Es waren weder Macht noch Reichtum, die ihnen eines Tages Einhalt bieten würden, sondern die Klugheit von Männern wie Louis Pasteur, die unermüdlich nach einem Gegenmittel forschten.
    Daphne nahm ihn bei den Rockaufschlägen und zog ihn zu sich. »Hast du die ganze Nacht arbeiten müssen? Ich hatte Sorge um dich, auch wenn ich weiß, ich bin ein dummes Ding.«
    »Du bist alles andere als das.« Er küsste sie. »Ich hätte dich nicht ohne Nachricht und vor allem nicht ohne Geld lassen dürfen.«
    »Mach dir damit nicht das Herz schwer. Mildred hatte selbst noch Geld, und wenn wir Liz bezahlen, kommt sie gewiss zurück.«
    Wir können Liz nicht bezahlen, lag es ihm auf der Zunge, doch das durfte nicht sein. Er würde zu Hector gehen. »Ich muss noch einmal weg.«
    »Jetzt gleich? Aber du bist doch todmüde, du brauchst dein Bad und Frühstück. Bin ich nicht deine Frau, muss ich nicht für dich sorgen?«
    Er liebte es, wenn sie so zu ihm sprach. Seit dem Tod seiner Mutter hatte kein Mensch mehr so zu ihm gesprochen. »Ich bin ganz in Ordnung, Liebstes. Und außerdem bald zurück.«
    »Hyperion?«
    »Ja?«
    »Ich habe auf dich gewartet, weil ich dir etwas mitzuteilen habe. Hätte es dieses Durcheinander nicht gegeben, wäre ich ins Spital gekommen, um es dir zu sagen.«
    Dann sei Gott gedankt für das Durcheinander, dachte Hyperion. Er lächelte noch immer. »Sag es mir, und dann gehe ich.«
    »Nicht hier in der Halle. Wenigstens setzen müssen wir uns.«
    Im nächsten Augenblick flog die Tür auf, und Mildred stand darin, beladen mit Paketen. Aus dem Saum ihres Capes tropfte schmelzender Schnee.
    »Um Gottes willen!«, rief Hyperion. »Warum hast du denn nicht Max mitgenommen?«
    »Weil ich in der Lage bin, meine Siebensachen allein zu besorgen«, versetzte Mildred. Hyperion verspürte den vertrauten Reiz zu lachen. Die Welt, und wenn sie noch so schwankte, musste auf festen Füßen stehen, solange Frauen wie Mildred darin herumstampften. Sie stob herein und knallte die Pakete auf die Truhe. »Ich habe noch Pfeffer, Seife und Butter mitgebracht. Aber bis ich zum Kohlehändler kam, war mir das Geld ausgegangen.«
    »Du hättest nicht dein eigenes Geld für den Haushalt geben sollen«, sagte Hyperion, der zusah, wie Fleischsaft aus einem der Päckchen über das Kirschholz der Truhe rann.
    »Ach nein?« Ihre Augen blitzten. »Und mit wessen Geld hätte ich dann bezahlen sollen? In den Läden lässt man uns nicht anschreiben, und meine Schwester mag dir vorgaukeln, sie könne von Luft und Liebe leben, in Wahrheit aber ist sie blutarm und braucht Fleisch.«
    Er senkte den Kopf. »Dein Geld bekommst du wieder.«
    Mildred beachtete ihn nicht länger, sondern rief nach Sarah. Die Köchin erschien, und beide beluden sich die Arme mit dem Einkauf. Vor der Treppe drehte Mildred sich noch einmal um. »Ich habe mit dir zu reden«, warf sie ihm hin. »Wann ist es recht?«
    »Später«, murmelte er. »Ich muss noch einmal weg, aber ich gebe dir Bescheid.« Seit jenem Tag, als sie zu ihm ins Spital gekommen war, hatten sie nicht mehr miteinander geredet.
    »Ach, und die Sache mit den Kohlen wäre eilig. Wir haben Feuerholz zum Heizen, aber ohne Kohle können wir nicht kochen.«
    »Weshalb benutzen wir nicht den Herd, den Hector uns geschenkt hat?«, platzte Daphne dazwischen. »Herr Victor hat gesagt, die Leitungen sind alle verlegt, der Herd kann jederzeit in Gebrauch genommen werden. Und wie man es macht, hat er mir auch erklärt. Er ist so stolz darauf, dass er jetzt für die Gasanstalt arbeitet. Soll ich gleich kommen und es ausprobieren?«
    »Das möchte ich nicht.« Hyperion hielt sie fest. »Man liest ständig von Erstickungsunfällen, weil Leute mit diesen Gasöfen nicht umgehen können. Lassen wir lieber Herrn Victor kommen und das Gerät für uns in Gang setzen.«
    »In diesem Haus braucht’s keinen Herrn Victor«, kam es von Mildred. »Wenn dieser Gasofen gebrauchsfähig ist, bekomme ich ihn in Betrieb, ein Mann steht mir dabei nur im Weg.« Damit polterte sie die Treppe hinunter. Ihr wilder Haarschopf verschwand zuletzt.

    In Milton’s Court traf Hyperion weder Hector noch Victor an, nur einen neuen Aufseher, der ihm mürrisch mitteilte, sein Arbeitgeber sei in der Gasanstalt. Seit seinem letzten Besuch war die Pension noch

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