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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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Gefühl, dem Deutschen gegenüber, der ihm völlig ergeben hätte sein müssen, an Boden zu verlieren. Vor der Abzweigung in den Milton’s Court ließ er seinen Kutscher halten und ging zu Fuß weiter. Es war ein düsterer, nasskalter Abend mit Windböen, die kleine Salven von Schneeregen trieben. Hector schlug den Mantelkragen hoch. Als er durch die enge Zufahrt des Verwalterhauses trat, sah er im Unterstand den zierlichen Fuchs, der seinem Bruder gehörte, den aber seit längerem Mildred Adams im Galopp durch die Straßen hetzte. Seine üble Laune verflog. Sukie Ralph war so gut wie vergessen.
    Seinen Schlüssel zu dem unschönen rußgrauen Gebäude hatte Hector nie abgegeben, und auf die Kunst, sich lautlos einzuschleichen, verstand er sich. Er hatte den finsteren Flur kaum betreten, als er aus dem großen Raum, der als Salon diente, ihre Stimmen hörte.
    »Sprich leiser, Mildred«, sagte März. »Miss Ralph hat sich hingelegt.«
    »Was schert mich deine Miss Ralph!«, rief Mildred. »Ich bin es, die Hilfe braucht, ich, ich, ich!«
    »So habe ich es ja nicht gemeint«, versuchte März zu besänftigen. »Ich dachte nur, du möchtest nicht, dass Miss Ralph uns hört.«
    »Glaubst du, ich habe für solche Albernheiten Zeit?« Mildred schrie immer noch. Schier hysterisch klang sie. »Ich bekomme ein Kind, Victor, hast du gehört? Ich bekomme ein Kind!«
    Schwach vor Enttäuschung musste Hector sich an der Wand abstützen. War das das Ende seines privaten Melodramas, hatte die wundervoll hochnäsige Mildred, die er für uneinnehmbar gehalten hatte, sich von März schwängern lassen und würde nun einwilligen, seine Frau zu werden? Wie konnte etwas, das so voll Feuer, Tragik und Intrige begonnen hatte, so banal enden?
    Aber es endete nicht banal. »O mein Gott, Mildred!«, rief März außer sich. »Von wem denn nur, von wem?« Dass er den Namen Gottes im Mund führte, erlebte Hector zum ersten Mal.
    »Von wem wohl?«, fuhr Mildred ihn an. »Sehe ich aus wie eine, die beliebig die Beine spreizt wie deine Miss Ralph?«
    »Nicht doch, Mildred. Aber ich hatte gedacht …«
    Du hast gedacht, sie würde irgendwann für dich die Beine spreizen, frohlockte Hector. Aber das hat sie nicht getan. Das Geheimnis um den Kindsvater, das sich uns gleich lüften wird, dürfte exquisit wie kein zweites sein.
    »Dein Denken spar dir. Damit ist mir nicht geholfen.«
    »Ich will dir ja helfen«, stammelte März noch immer erschüttert. »Ich will dir immer helfen, Mildred, das musst du mir glauben.«
    »Dann sag mir endlich, was ich tun soll, verdammt noch mal.«
    Hector glaubte zu spüren, wie März unter dem Fluch zusammenzuckte. »Du wirst den Vater heiraten müssen«, murmelte er, die Stimme wie erloschen. »Ist es ein guter Mann, Mildred? Wird er für dich sorgen?«
    »Ist es ein guter Mann, Mildred?«, äffte sie ihn nach. »Was denkst du denn? Dass ich mich mit weniger als dem Besten zufriedengebe?«
    »Nein, Mildred.« Zweifellos hielt er den Kopf gesenkt. »Ich wünsche euch Glück. Dir und dem Kind und dem Vater. Du hast Glück verdient.«
    »Hör endlich auf zu schwafeln! Wenn ich für das Kind einen Vater hätte, der mich heiraten könnte, was täte ich dann wohl hier bei dir?« Ohne Vorzeichen kippte die harsche, hochmütige Stimme um, und Mildred, die Unbezwingbare, brach in Schluchzen aus. »Du musst mir helfen, Victor. Ich halte das alles nicht aus.«
    Zweifellos nahm er sie in die Arme und ließ sie weinen, bis sie sich beruhigte. »Mildred«, sagte er irgendwann leise, »warum kann der Vater deines Kindes dich nicht heiraten?«
    »Weil er verheiratet ist.«
    »Ach, mein Kleines«, sprach Victor traurig vor sich hin. »Ach, mein armes Kleines.«
    Wer ist es? Nur mit Mühe konnte sich Hector daran hindern, von einem Fuß auf den anderen zu treten. Wer ist es?
    Als hätte sie ihn gehört, sprach Mildred in Victors Gemurmel: »Es ist der Mann meiner Schwester.«
    Was immer Hector sich versprochen hatte, dies übertraf seine kühnsten Erwartungen. Zu seinem grenzenlosen Vergnügen entblödete sich der verstörte März zu fragen: »Welche Schwester?«
    »Bist du nicht bei Trost?«, fuhr Mildred auf. »Ich habe auf der Welt nie mehr als eine Schwester gehabt. Keinen Menschen hatte ich, nur Daphne, sie war alles für mich.«
    »Aber Mrs Daphne … Mrs Daphne ist doch die Frau von Mr Weavers Bruder!«
    Hector in seinem Versteck presste sich die Hand auf den Mund, um nicht aufzulachen.
    »Hör auf, dich wie ein Idiot zu

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