Die Mondrose
benehmen!«, schrie Mildred. »Was glaubst du denn, von wem wir sprechen? Ich bin keine, die sich mit Kerlen einlässt. Von den Kerlen und ihren ekelhaften Trieben habe ich da, wo ich herkomme, für mein Leben genug gesehen, die sind mir alle miteinander so widerlich wie Vieh. Nur Hyperion nicht. Hyperion ist der einzige Mann auf der Welt, an dem etwas zart und sanft und edel ist.«
Der heilige Hyperion! Hector entfuhr ein Laut. Hyperion, der Unfehlbare, hatte seiner Schwägerin ein Balg gemacht, während seine Seele von Frau auf den Tod lag. An dem Skandal würde er sich den Hals brechen. Der Moment war da, in dem die Stadt Hyperion Weavers wahres Gesicht in seiner ganzen Hässlichkeit erkennen würde.
»Aber …«, stammelte März, der Trottel, der an das Gute im Menschen glaubte und hoffnungslos überfordert war.
Wenn Hector die Ohren spitzte, hörte er, dass Mildred weinte, aber nicht laut und heftig wie zuvor, sondern still und für sich. Offenbar wollte März sie tröstend in die Arme schließen, doch dem Klatschen nach fing er sich für seine Güte eine Backpfeife ein. »Rühr mich nicht an!«, rief sie. »Bildest du dir ein, du könntest mit Hyperion mithalten? Kein Mann kann das – kein Mann ist auch nur seinen kleinen Finger wert.«
Wohl bekomm’s, dachte Hector. Dann lass nur den einzigartigen Hyperion dir aus der Patsche helfen und sieh zu, wohin dich das bringt. Die erhabene Mildred Adams mochte sich schneller, als sie es sich versah, in einem Straßengraben mit der verachteten Sukie Ralph wiederfinden, und wen sie dann noch zu Hilfe rufen wollte, hätte Hector gern gewusst.
März vermutlich. Den Idioten März, der sich von ihr ohrfeigen ließ und treuherzig erklärte: »Ich weiß, ich kann nicht mit ihm mithalten, Mildred. Ich habe das ja nie gesagt.«
»Na also.«
»Aber das mit dir, das hätte Mr Weaver nicht tun dürfen. Es ist an dir und an Mrs Daphne nicht recht getan.«
Es klatschte noch einmal. Scharf wie ein Peitschenhieb.
»Sprich nicht von Dingen, von denen ein Klotz wie du nichts versteht.« Mildred schrie jetzt nicht mehr, aber ihre Stimme war ätzender als der Schlag, den sie dem armen März verpasst hatte. »Hyperion und ich, wir lieben einander. Weißt du, was Liebe ist? Glaubst du, wenn du mit deiner Miss Ralph oder mit Gott weiß wem unter verschwitzte Betttücher kriechst, hat das auch nur das Geringste mit Liebe zu tun?«
»Ich krieche mit Miss Ralph nirgendwohin«, erwiderte März. »Miss Ralph wohnt bei mir, weil sie sonst keine Bleibe hat, das ist alles.«
»Und wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mir damit gestohlen bleiben kannst?«
»Oft«, antwortete März geschlagen.
»Willst du mir jetzt helfen oder nicht?«
»Ich will dir helfen. Sag mir, was ich tun kann, und ich tue es.«
»Ich weiß es nicht«, entgegnete Mildred, auf einmal so mutlos, wie es ihrer Lage zukam. »Sag du mir, was ich tun soll.«
»Ich habe doch von alldem keine Ahnung«, erwiderte er. »Ich kann mit Mr Weaver reden, wenn du willst. Mr Weaver war immer nett zu mir, aber ob er mich in dieser Sache anhören wird, weiß ich nicht. Und was soll denn überhaupt geschehen? Wird Mr Weaver seine Frau verlassen und die zwei Kinder auch?«
»Um Gottes willen!«, rief Mildred. »Das würde Daphne umbringen. Sie ist doch krank, sie hält ohnehin nichts aus.«
»Aber was ist mit dir? Und mit deinem Kind?«
Bitter lachte Mildred auf. »Ich war ja immer die Starke. Die, die es aushalten musste.«
»Wenn du Geld brauchst …«
»Pah«, fiel sie ihm ins Wort. »Wie viel Geld, meinst du, braucht es, um allein ein Kind aufzuziehen? Wie viel Geld braucht es, um den Skandal zu verschmerzen, die Ächtung, die Einsamkeit? So viel Geld kannst du im Leben nicht zusammenkratzen, und wenn du dir hundertmal einbildest, dass du hier in deiner Bruchbude auf einer Goldgrube sitzt.«
»Es ist keine Bruchbude«, begehrte März auf. »Es ist ebenso ein Hotel wie deines – nur nicht für betuchte Herrschaften, die überall auf der Welt logieren können, sondern für meinesgleichen. Hätte es so etwas damals gegeben, hätten meine Schwester und ich in solchem Hotel ein paar Tage Ferien machen können. Vielleicht wäre alles anders gekommen.«
»Bist du fertig?«, versetzte sie kalt. »Glaubst du, in meiner Lage habe ich für dein ewiges Geschwafel von deiner Schwester Zeit?«
»Natürlich nicht. Ich wollte ja nur …«
»Mir ist einerlei, was du wolltest. Ich brauche deine Hilfe.«
Eine Zeitlang schwiegen
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