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Die Mondscheinbaeckerin

Die Mondscheinbaeckerin

Titel: Die Mondscheinbaeckerin
Autoren: Sarah Addison Allen
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legte die Tafel beiseite.
    Da erklang die Glocke über der Tür, und Beverly Dale, Julias Exstiefmutter, trat ein.
    Wenigstens nicht Sawyer.
    Obwohl Beverly fast genauso schlimm war.
    Â»Julia!«, begrüßte Beverly sie und stakste in ihren weißen High Heels zur Theke. »Wir haben uns ewig nicht gesehen. Ich versuch ja immer, früh aufzustehen, aber ich bin einfach kein Morgenmensch. Gestern Abend hab ich mir dann den Wecker gestellt, damit ich zeitig genug ins Lokal komme, um dich zu erwischen. Und da bin ich!«
    Â»Gratuliere«, sagte Julia, froh darüber, dass die Theke sich zwischen ihnen befand und Beverly sie nicht umarmen konnte, denn mit ihrem Jean-Naté-Parfüm hätte sie einen Elefanten umgehauen.
    Â»Du trägst immer noch die langen Ärmel«, stellte Beverly kopfschüttelnd fest. »Ist dir das bei dieser Hitze nicht zu warm?«
    Â»Die Bluse ist aus Baumwolle. Sie atmet«, erklärte Julia und zog die Ärmel noch weiter herunter.
    Â»Verstehe. Narben machen sich an einer Frau einfach nicht gut.« Beverly beugte sich zu ihr vor und flüsterte: »Ich hab auch eine ganz kleine an der Stirn. Deswegen lasse ich mir von meiner Stylistin Yvonne immer die Haare drüberfrisieren.«
    Julia wartete darauf, dass Beverly endlich zur Sache kam.
    Julia war zwölf gewesen, als ihr Vater ihr Beverly vorgestellt und Julia mitgeteilt hatte, dass sie eine Geschlechtsgenossin brauche, mit der sie über Frauenangelegenheiten reden könne, jetzt, wo sie allmählich erwachsen werde – als hätte er Beverly ihretwegen in ihr Leben gebracht. Anfangs hatte Beverly sich intensiv um Julia gekümmert, so dass Julia, die beim Tod ihrer Mutter ein Baby gewesen war, Beverlys Anwesenheit irgendwann gar nicht mehr so schlecht fand. Doch dann hatten Beverly und Julias Vater geheiratet, und Julia hatte gespürt, wie sich das Kräftegleichgewicht verschob. Die Aufmerksamkeit von Julias Vater hatte sich unweigerlich auf die Person gerichtet, die sie am stärksten forderte. Und diese Person war Beverly gewesen. Kein noch so dramatisches Schmollen und keine noch so lauten Ausbrüche, später auch keine pink gefärbten Haare und Schnitte an den Armen hatten ihn von der sexy Beverly mit ihrer hochtoupierten blonden Mähne, dem tiefen Ausschnitt und den hochhackigen Schuhen, die sie sogar zu Shorts trug, ablenken können. Sie hatte für ihn gekocht, ihm die Zigaretten angezündet und ihm beim Fernsehen die Schultern massiert. Und ihm ihre Zuwendung entzogen, wenn sie ihren Willen nicht bekam. Julia hatte es wehgetan, mit ansehen zu müssen, wie ihr Vater versuchte, ihre Gunst zurückzugewinnen.
    Beverly und Julias Vater waren bis etwa vier Jahre zuvor zusammen gewesen. Bei Julias alljährlichem Weihnachtsanruf hatte er ihr dann von der Scheidung erzählt und in seiner unaufgeregten Art erklärt: »Beverly hat so viel Energie. Ich konnte ihr nicht geben, was sie brauchte.«
    Was sie brauchte, das hatte Julia später herausgefunden, war ein Mann mit Geld gewesen. Julias Vater hatte sich für jemanden mit nur acht Jahren Schule ziemlich gut geschlagen. Mit dreißig hatte er sein eigenes Haus und Geschäft besessen, und zwar schuldenfrei. Und er hatte ausgezeichnet mit Geld umgehen können, weswegen Julia schockiert gewesen war, als sie nach seinem Tod entdeckte, wie viele Schulden er hatte. Beverly hatte offenbar seinen Besitz verschleudert und ihn, als nichts mehr übrig war, für Bud Dale verlassen, der gerade seinen zweiten Autozubehörladen im Ort eröffnete.
    Julia erinnerte sich, dass sie Beverly bei der Beisetzung ihres Vaters seit Jahren das erste Mal wieder gesehen hatte. Sie war sichtlich gealtert, aber nach wie vor attraktiv gewesen. »Das mit deinem Daddy tut mir leid«, hatte sie gesagt. »Lass mich wissen, ob noch Geld übrig ist. Ein Teil davon müsste mir zustehen, findest du nicht? Schließlich hatten wir zwanzig wunderbare Jahre miteinander«, hatte sie in Gegenwart von Bud Dale gesagt.
    Als Julia das Haus ihres Vaters verkauft und das Wenige, was nach der Begleichung der Hypothek noch übrig war, ins Lokal gesteckt hatte, war Beverly ziemlich wütend gewesen. Ein Teil dieses Geldes hätte ihr zugestanden, hatte sie wie ein Mantra wiederholt. Doch sobald ihr klar geworden war, was Julia vorhatte, nämlich im Ort zu bleiben und so lange zu arbeiten, bis das Darlehen für das Lokal
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