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Die Mondscheinbaeckerin

Die Mondscheinbaeckerin

Titel: Die Mondscheinbaeckerin
Autoren: Sarah Addison Allen
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dem Blick.
    Natürlich hätte Julia auch mit dem Auto zum Lokal fahren können, doch weil sie den größten Teil ihres Geldes in die Darlehensraten steckte, empfand sie Benzin als Luxus. Sie fühlte sich an ihre Highschool-Zeit erinnert, in der ihr Vater es sich nicht hatte leisten können, ihr einen Wagen zu kaufen. Voller Neid hatte sie verfolgt, wie ihre Mitschüler, besonders die Mädchen von Sassafras, in ihren BMW s und Corvettes an ihr vorbeibrausten.
    Doch am Ende würde es sich auszahlen, das musste sie sich immer wieder ins Gedächtnis rufen. Auf sie wartete ein völlig anderes Leben, in dem sie die Erinnerungen an die Vergangenheit beherrschen konnte. In Baltimore würde sie den Kontakt zu den Freunden wieder aufnehmen, die keine Ahnung von ihrem früheren Leben hatten. Angenehme Freundschaften ohne Altlasten. Sie würde sich um eine neue Wohnung kümmern, ihre Sachen aus dem Lager holen und sich einen geeigneten Ort für ihre Bäckerei suchen. Sie hatte lange in den Bäckereien anderer Leute gearbeitet. In ihrer eigenen würde sie bei offenem Fenster und, wenn sie Lust dazu hatte, nur noch lilafarbene Kekse backen. »Blue-Eyed Girl Bakery«würde sie die Bäckerei nennen. Dass Julias Augen braun waren, spielte keine Rolle, weil es dabei nicht um sie ging.
    Â»Julia!«, rief Sawyer.
    Sie spürte ein Prickeln im Nacken und beschleunigte ihre Schritte. Trotzdem holte Sawyer sie rasch ein.
    Julia bedachte ihn mit einem strengen Blick. »Bist du mir gefolgt?«
    Â»Wenn du gewartet hättest, wäre das nicht nötig gewesen.«
    Â»Was willst du?«
    Â»Das habe ich dir schon gesagt. Mit dir reden.«
    Â»Dann sprich«, forderte sie ihn auf.
    Â»Nicht hier.« Er hielt sie am Arm fest. »Bisher habe ich mich von dir ferngehalten, weil ich den Eindruck hatte, dass du das möchtest. Sobald ich wusste, dass du nach Mullaby zurückkommst, habe ich mir … Hoffnungen gemacht. Aber als du mich dann mit diesem mörderischen Blick angesehen hast, war mir klar, dass es noch zu früh ist.«
    Â»Ich bin nicht zurückgekommen«, stellte sie fest und entwand sich seinem Griff.
    Â»Damit habe ich uns beiden keinen Gefallen getan«, fuhr er fort, als hätte sie nichts gesagt. »Es geht schon zu lang so. Ich will jetzt endlich mit dir reden, Julia.«
    Â»Worüber?«
    Er schwieg.
    Sie versuchte es mit einem Lachen. »Darüber, dass du meinst, ich würde die Kuchen deinetwegen backen?«
    Â»Ich weiß es nicht. Sag’s mir.«
    Sie sahen einander eine Weile an, bevor sie antwortete: »Ich hab dir nichts zu sagen. Und bezweifle, dass du mir irgendetwas mitzuteilen hast, was ich hören möchte.«
    Â»Geh am Samstag mit mir essen«, schlug er unbeeindruckt vor.
    Â»Am Samstag hab ich schon was vor«, erwiderte sie.
    Â»Ach.« Er schob überrascht die Hände in die Taschen und wippte auf den Fußballen. Sawyer war es nicht gewohnt, einen Korb zu bekommen. »Mit wem?«
    Â»Ich wollte mit Emily an den See fahren«, improvisierte sie.
    Â»Du scheinst dich sehr für dieses Mädchen zu interessieren.«
    Â»Wundert dich das, Sawyer?«, zischte sie.
    Sie bemerkte, dass ihn das traf. Und ihr verschaffte es kein so gutes Gefühl, wie sie gehofft hatte.
    Er zögerte, bevor er mit leiser Stimme fragte: »Wirst du mir denn nie vergeben?«
    Â»Ich hab dir längst vergeben«, antwortete sie und setzte ihren Weg fort. »Das bedeutet allerdings nicht, dass ich es auch vergessen habe.«
    Â»Ich auch nicht, Julia«, rief er ihr nach.
    Mit sechzehn hatte das Gefühl, unglücklich zu sein, Julia manchmal den Atem geraubt. Es hatte sich im Lauf der Jahre aufgebaut: die Pubertät, die zweite Ehe ihres Vaters, ihre unerwiderte Liebe zum tollsten Jungen der Schule, das Pech, Dulcie Shelby als Klassenkameradin zu haben. Trotzdem hatte sie bis zur Highschool immer Freunde gehabt und war eine gute Schülerin gewesen. Es war ihr stets gelungen zu funktionieren . Doch dann hatte sie aufgegeben und im letzten Schuljahr schließlich aufgehört, mit ihrer Stiefmutter Beverly konkurrieren zu wollen. Ihre pinkfarbenen Haare und ihr schwarzes Make-up waren Versuche gewesen, gegen ihr überwältigendes Gefühl der Auflösung aufzubegehren. Als ihr Äußeres sich veränderte und sie unzugänglicher wurde, begannen ihre Freunde, sie zu meiden, aber das war ihr egal.
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