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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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allein.
    Wir sahen uns an. Dann lächelte sie. Es war ein sehr hübsches Lächeln, das ihrem Gesicht eine lebendige Heiterkeit verlieh. »Willst du nicht tanzen, Frankie!« fragte sie.
    »Doch, natürlich«, sagte ich verlegen. »Aber ich bin kein guter Tänzer.«
    »Das macht nichts«, meinte sie. »Ich helfe dir.« Sie kam in meine Arme. Anfangs war ich recht hölzern, und einmal trat ich ihr sogar auf den Fuß. Sie lächelte aber nur und sagte: »Immer mit der Ruhe! Du mußt ganz locker tanzen.«
    Als der Tanz zu Ende war, fragte ich sie: »Möchtest du gern etwas Punsch trinken?«
    Wir gingen hinüber zum Tisch mit den Erfrischungen. Dann tanzten wir noch oft miteinander. Und als um elf Uhr das Fest vorüber war, gingen wir zusammen nach Hause. Sie wohnte in einem Etagenhaus nicht weit von uns, und ich begleitete sie bis an die Tür.
    »Ich muß jetzt ins Haus gehen«, sagte sie. »Es ist schon spät.«
    »Ja«, wiederholte ich, »es ist schon spät.«
    »Gute Nacht, Frankie.« Sie lächelte zu mir empor.
    »Gute Nacht.« Einem plötzlichen Impuls folgend, küßte ich sie, und sie schlang mir die Arme um den Hals. Ich konnte den reinen, frischen Duft ihres Haares riechen. fch begann sie zu küssen, wie ich Julie geküßt hatte. Aber plötzlich hemmte mich etwas. Ihr Mund war so weich, so süß und sanft -gewissermaßen unschuldig. Sie preßte sich gegen mich, und ihre
    Lippen waren nicht so wild und leidenschaftlich wie Julies. Ich beruhigte mich und legte ihr die Arme um den Rücken. Instinktiv hatte ich versucht, ihre Brüste abzutasten, mich aber noch rechtzeitig beherrscht. Ich genoß die Süße ihrer Lippen und zog sie eng an mich. Im Kontakt unserer Körper war nichts von geschlechtlicher Begierde. Es war ein reines, jugendfrisches Gefühl, ein Gefühl, das sagte: »Es ist schön zu leben.«
    »Ich weiß nicht, was du von mir denkst, Frankie«, sagte sie, »aber ich tue so etwas nicht mit jedem Jungen, der mir begegnet.«
    »Ich weiß«, sagte ich, und ihr Parfüm stieg mir betörend zu Kopf.
    Sie trat zurück. »Gute Nacht, Frankie.« Damit ging sie in ihre Wohnung und schloß die Tür.
    Ich ging ein paar Schritte den Flur hinab, als mir plötzlich einfiel, daß ich ihren Namen noch nicht wußte. Ich kehrte um und blickte auf das Schild neben der Türglocke. »Lindell« stand darauf.
    Nun kannte ich ihren vollen Namen: Janet Lindell.
    Ich fühlte mich äußerst unbehaglich, als ich mit den anderen Kandidaten, die sich um den Posten des Klassenältesten bewarben, auf dem Podium Platz nahm. Es kam mir vor, als ob die ganze Versammlung mich anstarrte. Janet saß neben mir und lächelte mir ermunternd zu.
    Der Direktor hielt seine Ansprache, in der er hervorhob, daß die Schüler gute Bürger und tatkräftige Demokraten werden müßten. Aber ich war viel zu nervös um richtig hinzuhören. Dann erhob sich der erste Kandidat.
    Er versprach den neuen Schülern die beste Vertretung, die die Klasse je gehabt habe. Dazu brauchte er zehn Minuten. Der zweite Kandidat versprach dieselben Dinge wie der erste, und er brauchte ungefähr die gleiche Zeit. Ich konnte sehen, daß die Schüler unruhig wurden und sich zu langweilen begannen. Und dann war ich an der Reihe.
    Das Herz klopfte mir zum Zerspringen, und die Kehle war mir wie zugeschnürt. Janet hob die Hände, um mir zu zeigen, daß sie mir beide Daumen halte. Ich schlenderte langsam zur Mitte des Podiums. Die Gesichter vor mir erschienen mir seltsam verschwommen. Dann gab ich mir einen Stoß und begann zu reden.
    »Herr Direktor, Lehrer und Mitschüler.« Meine Stimme schien von den Wänden des Auditoriums widerzuhallen. >Zu laute, dachte ich.
    Die Schüler blickten alle halb verstört auf, als hätte ich sie aus dem Schlaf geschreckt.
    »Ich habe Angst«, sagte ich ein wenig ruhiger und natürlicher. Alle lachten - sogar die Lehrer. Ich spürte, wie ich meine Hemmungen allmählich verlor, und fuhr fort: »Sie mögen es glauben oder nicht. Aber ich weiß tatsächlich nicht, warum ich hier stehe.«
    Wieder schallendes Gelächter. Jetzt wich meine Nervosität.
    »Neulich«, begann ich wieder, »traten ein paar Schüler, Freunde von mir, an mich heran und fragten: >Wie wär's, möchtest du wohl Klassenältester sein?< Und ich sagte dummerweise: >Ja, gern.< Jetzt aber frage ich mich: waren es wirklich meine Freunde?«
    Die Zuhörerschaft lachte, und manche klatschten Beifall. >Mein Gott!< dachte ich. >Sie schlucken wirklich alles!< Dann fuhr ich fort:
    »Ich habe

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