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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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steht es so schlimm? Ich hab' dir ja empfohlen, dich von diesen komischen Brüdern fernzuhalten. Ich hab' dir gesagt, daß du nur Scherereien kriegst.«
    »Das hilft mir jetzt nicht viel«, sagte ich. »Und außerdem war es nicht ihre Schuld.«
    Er schnitt seinen Käse zu Ende, wickelte ihn ein und gab ihn dem Kunden, der vorn im Laden stand und mich nicht hören konnte. Dann kam er zu mir zurück.
    »Es tut mir leid, Harry«, sagte ich. »Ich hatte nicht die Absicht, auf diese Weise aufzuhören und dich im Stich zu lassen. Aber ich kann's nicht ändern. Du warst sehr anständig zu mir, und ich bin dir sehr dankbar dafür. Willst du das bitte auch Mr. Rayzeus ausrichten?«
    Er nickte, und ich ging ins Hinterzimmer, um meine Schürze abzubinden. Ich hängte sie an einen Nagel an der Wand, ging wieder in den Laden und reichte Harry die Hand. »Nochmals vielen Dank für alles, Harry.«
    Er schüttelte mir die Hand. »Schade, daß du fortgehst, mein Junge. Du hast gut gearbeitet, und ich hab' dich gern gemocht.«
    »Mir tut es auch leid«, sagte ich und wandte mich zum Gehen.
    »Augenblick«, rief er. »Du hast was vergessen.«
    Ich drehte mich um, und er hielt mir seine Hand entgegen. »Dein Lohn«, sagte er.
    »Aber heute ist doch erst Montag«, protestierte ich.
    »Nimm es nur. Du hast einen Extrawochenlohn dicke verdient.«
    Ich nahm das Geld und schob es in meine Tasche. »Vielen Dank«, sagte ich. »Ich kann es gut gebrauchen.« Das stimmte. Denn ich hatte nur etwas über hundert Dollar in der Kassette in meinem Hotelzimmer. Von den paar Kröten, die ich verdiente, konnte man nicht viel sparen.
    »Schon gut, mein Junge«, sagte er und begleitete mich an die Tür. »Hoffentlich kommt alles wieder in Ordnung.« Ich hielt meine gekreuzten Finger in die Höhe. Er grinste und tat dasselbe. Als ich auf die Straße trat, hielt ich erst nach allen Richtungen Ausschau. Aber die Straße war so ruhig wie immer. Ich sprang in eine Untergrundbahn und fuhr zu meinem Hotel. Dort packte ich meine Siebensachen in einen kleinen Handkoffer, den ich vor einiger Zeit alt gekauft hatte, und bezahlte meine Rechnung. Ich wollte gerade zum Bahnhof gehen, als mir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf schoß.
    Marianne! Wer würde es ihr sagen? Ich hoffte, kein Fremder, der nicht wußte, wie sie zueinander gestanden hatten. Und ich hoffte, sie würde auch nicht die kalte, nüchterne Notiz lesen, die vielleicht in der Zeitung erschien. Mit jedem Schritt, den ich tat, wurde mir klarer, daß ich es ihr sagen mußte.
    Ich hörte ihre raschen Schritte, als sie an die Tür kam. Zunächst sah sie ein wenig verdutzt aus, als sie meinen Koffer bemerkte. Ich trat ein, ohne auf ihre Einladung zu warten.
    Sie schloß die Tür und sah mich an. »Gehst du fort, Frank?«
    »Ja, aber erst muß ich dir was sagen«, sagte ich ernst.
    Sie konnte nicht wissen, wovon ich redete, und sie hatte wohl etwas ganz anderes erwartet. Sie trat mit einem weichen
    Ausdruck im Gesicht dicht an mich heran. Erstaunt sah ich, daß ihre Augen grau waren und nicht, wie ich mir eingebildet hatte, braun. Aber es war ein dunkles, wolkiges Grau.
    »Was willst du mir sagen?« fragte sie sanft. »Was ist so wichtig, daß du nicht fortgehen kannst, ohne es mir zu sagen?«
    Ich stellte den Koffer hin und packte sie an den Schultern. Ich war wütend und dachte, sie würde es schon rasch genug begreifen.
    »Frank, du tust mir weh«, jammerte sie.
    Ich lockerte meinen Griff. Die Wut, die ich für einen Augenblick empfunden hatte, legte sich. »Setz dich lieber erst«, sagte ich in sanfterem Ton.
    »Nein, ich setze mich nicht«, sagte sie, und ihre Augen weiteten sich vor Angst. »Was ist los?«
    »Gerro ist tot«, sagte ich.
    Einen Moment sah sie mich verständnislos an. Dann wurde sie blaß und verdrehte die Augen. Ich fing sie auf, als sie auf mich zusank, trug sie ins Schlafzimmer und legte sie aufs Bett. Aus der Küche holte ich ein Glas Wasser, und als sie sich wieder zu regen begann, hielt ich es ihr an die Lippen. Ich knöpfte ihre Bluse auf und wartete, bis sie wieder zu sich kam.
    Zitternd schlug sie die Lider auf. »Ich wollte nicht, daß du es von jemand anders erfährst«, sagte ich. »Ich dachte, es wäre besser, wenn ich es dir sagte, aber ich fürchte, ich habe es vermasselt.«
    Sie schüttelte schwach den Kopf. »Wie - wie ist es passiert?«
    »Es gab auf dem Platz eine Schlägerei. Ein Polizist schlug auf Gerro ein, und er fiel unter das Pferd des Polizisten. Ich habe eine

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