Die Moralisten
geschossen wurde, Mr. Cardinali«, sagte er kühl.
Cesare zuckte die Achseln. »Nein, das kann ich nicht.« In seinen Augen funkelte Spott, und es klang herausfordernd, als er hinzusetzte: »Was ich nicht verstehe, ist - warum man mich erschießen wollte.«
»Wahrscheinlich verstehen Sie auch nicht, warum in einer Hütte in Mexiko, unweit der Stelle, so Ihr Wagen von der Fahrbahn abkam, Allie Fargo umgebracht wurde«, entgegnete Baker scharf.
Cesare lächelte ungerührt. »Ich weiß nicht mal, daß er tot ist. Ich habe noch keine Zeitungen gelesen.«
»Sie können gewiß für die ganze Zeit, die Sie auf der Rennstrecke waren, glaubhafte Erklärungen geben?«
»Selbstverständlich. Ich war ohne Unterbrechung mit meiner Mechanikerin zusammen. Das wird sie Ihnen bestätigen können. Sie sitzt noch im Taxi und erholt sich von dem Schreck.«
»Es ist bewundernswert, wie Sie es verstehen, immer Frauen für Ihr Alibi bei sich zu haben«, sagte Baker bissig.
»In der Tat - ein großer Glücksfall«, erwiderte Cesare.
Ein Polizeiauto näherte sich in hohem Tempo. »Na, dann amüsieren Sie sich weiter gut«, sagte Baker. »Aber denken Sie daran, daß wir nicht immer in der Nähe sein werden, um Sie zu schützen.«
Das Taxi fuhr an den Randstein, Cesare stieg aus, beugte sich ins Fenster und sagte zu Luke Nichols: »Warte hier, ich muß nur schnell mal in mein Büro hinauf.«
Das Mädchen in der Anmeldung schien überrascht zu sein, als er eintrat und an ihr vorbei ins Hauptbüro eilte. Dort stand eine Gruppe von Angestellten in lebhafter Unterhaltung beim Wasserkühler. Sobald sie ihn bemerkten, zerstreuten sie sich und strebten zu ihren Schreibtischen. Er nickte nur stumm, ging weiter und sagte im Vorzimmer zu Miss Martin: »Kommen Sie.«
Sie folgte ihm in sein Privatbüro. »Was ist da draußen los? Weshalb wird nicht gearbeitet?« erkundigte er sich.
Miss Martin blickte ihn besorgt an. »Ist Ihnen nicht wohl?«
»Doch, durchaus«, entgegnete er schroff.
»Wir hörten nämlich vorhin im Rundfunk, daß jemand auf Sie geschossen hat, während Sie in die City fuhren«, sagte sie.
»Ist das für die Leute etwa ein Grund, herumzustehen und zu faulenzen?« rief er ärgerlich. »Ich bezahle sie für ihre Arbeit, nicht fürs Schwatzen.«
»Es gibt jetzt keine Arbeit für sie.«
»Was soll das heißen? Keine Arbeit?« Er wurde noch zorniger. »Wieso keine Arbeit?«
Sie nahm ein Telegramm von seinem Tisch und gab es ihm. »Unsere sämtlichen Lizenzen sind widerrufen worden. Hier, dies ist der letzte Widerruf. Kam vor ungefähr einer Stunde.«
Er las das Telegramm und nahm die übrigen von seinem kleinen Telefontisch. Alle hatten fast wörtlich denselben Text. »Wann ist denn das passiert?«
»Es fing schon an dem Vormittag an, als Sie nach Mexiko flogen«, antwortete sie. »Ich begreife das nicht. Es sieht so aus, als hätte jemand allen Firmen ein Signal gegeben.«
Er starrte noch einmal auf die Telegramme in seiner Hand, dann warf er sie auf den Tisch. Die Mafia war ja ihrer Macht sehr sicher. Sie rechneten so bestimmt mit seinem Tode, daß sie auch seine geschäftlichen Fäden abschneiden konnten! Er mußte jetzt unbedingt Matteo erreichen. Das Maß war voll. Übervoll.
»Mir tut das so leid, Mr. Cardinali«, sagte Miss Martin mit ehrlichem Bedauern. »Ich hatte gleich versucht, Sie zu erreichen, aber Sie waren nicht mehr im Hotel.«
Cesare antwortete nicht. Er überlegte. Jemand mußte eine Nachricht an den Posthalter in seinem sizilianischen Heimatort befördern. Sicher war Matteo zwar irgendwo im Land, aber ihn in ganz Italien zu suchen, war aussichtslos. Die Stimme seiner Sekretärin riß ihn aus der Grübelei. »Was werden Sie unternehmen?«
Er sah sie an. »Was gibt es da noch zu unternehmen?« Er zuckte die Achseln. »Lassen Sie für alle Angestellten die vertraglichen Gehaltsabfindungen berechnen und auszahlen. Und erklären Sie ihnen, daß wir sie wieder einstellen werden, sobald die Lage geklärt ist.«
»Glauben Sie denn, daß sie sich klärt?«
»Keine Ahnung. Und ehrlich gesagt - es ist mir auch gleichgültig.«
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Cesare schloß die Tür auf und sagte zu Luke Nichols: »Geh nur rein.« Er folgte ihr.
Aus dem Schlafzimmer rief Ileana: »Bist du’s, Cesare?«
Er sah Luke einen Moment fragend an. Ihr Gesicht war ausdruckslos. Dann lächelte er und antwortete: »Ja, Ileana.«
Sie sprach weiter vom Schlafzimmer her. »Ich weiß nicht, was aus der Welt geworden ist.
Weitere Kostenlose Bücher