Die Moralisten
seine Schultern. Wie sehr glichen sie einander.
Sie hörte das Stilett auf den Boden fallen, als seine Lippen ihre Kehle suchten und die winzige, von der Dolchspitze hinterlassene Wunde bedeckte.
Vor ihrem Hotel hielt er den Wagen an. »Wir treffen uns in zwei Stunden in der Flughafenhalle.«
»Sieh dich vor«, sagte sie leise.
Er nickte. »Bevor jemand erfährt, was passiert ist, werden wir schon auf dem Rückflug nach New York sein. Ich muß auf irgendeine Weise Kontakt mit Emilio bekommen. Er wird dann diese Geschichte bereinigen.«
Sie drückte ihm die Hand und stieg aus. Und sie blickte ihm nach, bis er außer Sicht war. Erst dann ging sie in das Hotel.
Cesare betrat die Halle des El Ciudad und bat an der Rezeption um seinen Schlüssel.
Der Empfangschef drehte sich um. »Graf Cardinali!« rief er verblüfft, griff nach dem Schlüssel am großen Brett und legte ihn auf den Tisch. »Das Rennen.«
»Mein Generator ist verschmort«, unterbrach ihn kurz Cesare.
»Das tut mir leid, Señor.« Er holte aus einem Fach einen Brief und gab ihn Cesare. »Den hat die Baronin für Sie hinterlassen.«
Cesare öffnete das Kuvert und las.
»Bedaure, Liebling«, teilte Ileana ihm mit, »ich konnte Deine Rückkehr nicht abwarten. Ich fliege mit einem reichen Ölmann aus Texas nach New York. Er will unbedingt mit mir einen Einkaufsbummel machen.«
Cesare lächelte. Er hätte wissen müssen, daß Ileana einen Grund gehabt hatte, sich nicht mit ihm in Cuernavaca zu treffen. »Um welche Zeit hat die Baronin das Hotel verlassen?«
»Gegen elf heute vormittag«, antwortete der junge Mann.
Cesare nickte und ging zum Lift. Er sah auf seine Armbanduhr. Kurz vor sieben. Also war Ileana vermutlich schon in New York.
Einundzwanzigstes Kapitel
Baker beugte sich über seinen Schreibtisch und sah Ileana scharf an. »Warum sind Sie zurückgekommen? Sie sollten doch bei ihm bleiben.«
»Ich sagte Ihnen doch, ich hatte Angst.« Sie war sichtlich nervös. »Ich konnte das Gefühl nicht loswerden, daß er mich umbringen wollte. Daß er wußte.«
»Wie kamen Sie darauf?« fragte Baker rasch. »Hat er etwas gesagt oder getan, was darauf hindeutete? Oder war Ihnen etwas Verdächtiges aufgefallen?«
Ileana schüttelte den Kopf. »Nein, das war es nicht. Nur dieses Messeretui am Kofferdeckel, das ich erwähnte. Als ich es sah, war ich überzeugt, daß er mich umbringen würde. Deshalb kam ich zurück.«
»Aber das Stilett selber haben Sie nicht im Koffer gesehen?« fragte Baker.
Es wurde an die Tür geklopft. »Herein!« rief er.
Ein Detektiv trat ein mit einem Fernschreiben, legte es auf Bakers Schreibtisch und sagte: »Das kam eben aus Mexico City. Man hat die Leichen von Allie Fargo und einem anderen Gangster gefunden, und zwar in einer verlassenen Hütte etwa einen Kilometer von der Stelle, wo Cardinalis Wagen aus der Fahrbahn geschleudert wurde.«
Ileana sprang erregt auf. »Sehen Sie! Also hatte ich recht!«
Baker blickte sie verdrießlich an. »Wenn Sie dageblieben wären, wüßten wir jetzt vielleicht mehr über diese dunkle Geschichte.«
»Vielleicht wäre ich dann auch schon tot!« gab sie zornig zurück.
Baker sah seinen Kollegen an. »Wo ist Cardinali jetzt?«
»Auf dem Rückflug nach New York. Die Maschine landet heute vormittag auf dem Kennedy Airport. Er reist mit einer Frau.«
Baker sah Ileana an. »Sind Sie etwa deshalb zurückgekommen? Weil er eine andere Frau bei sich hat?«
»Unsinn!« rief Ileana erbittert.
Baker lächelte jetzt. »Mir geht langsam ein Licht auf. Er hat eine neue Freundin gefunden und Sie einfach abgeschoben.«
Ileana biß auf den Köder an. »Das ist nicht wahr! Ich kenne diese Frau. Sie ist seine Mechanikerin.«
»Seine Mechanikerin!« wiederholte Baker ungläubig.
»Ja. Sie heißt Luke. ihren Nachnamen weiß ich nicht. Sein ständiger Mechaniker war krank geworden, und da hat er sie direkt bei den Garagen am Startplatz engagiert.«
Baker wandte sich wieder dem Kollegen zu. »Fordern Sie sofort von Mexico City möglichst genaue Informationen über diese Mechanikerin an.«
»Jawohl. Soll Cardinali nach der Landung des Flugzeugs festgenommen werden?«
»Nein, das brächte uns nicht weiter«, sagte Baker. »Zum Verhaften haben wir keine ausreichende Begründung. Halten Sie aber einen Wagen für mich bereit. Ich will feststellen, wohin er sich nach der Ankunft begibt.«
Der Beamte verließ das Zimmer. Baker sagte zu Ileana: »Sie gehen jetzt wieder ins Hotel und bleiben ihm so nahe
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