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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ihn zusammenzulegen. »Ich weiß nicht. Ich werde mir eine Arbeit suchen. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht.«
    »Was für eine Arbeit?«
    Sie fing an, ein Laken zu bügeln. »Ich weiß es nicht. Irgend etwas, was ich kann.«
    Evelyn lachte auf. »Da kannst du höchstens verhungern!«
    Mary sah sie neugierig an. »Was hast denn du vor?«
    »Ich habe Pläne«, antwortete Evelyn geheimnisvoll. »Große Pläne.« »Und was?«
    Evelyn wollte schon antworten, sah dann aber eine der Aufseherinnen den Gang entlang auf sie zukommen. So flüsterte sie ihr nur verstohlen zu: »Komm heute abend zu mir, sobald das Licht ausgegangen ist. Ich glaube, wir könnten etwas zusammen unternehmen.«
    Es war fast zehn Uhr, als Mary an Evelyns Bett stand und zu ihr hinabblickte. »Bist du wach?« flüsterte sie.
    Das dunkelhaarige Mädchen richtete sich auf. »Ja.«
    Mary setzte sich auf den Bettrand. »Was hast du vor?«
    »Ich werde richtig Geld verdienen. Ich gehe ins Show-Geschäft. Ich habe einen Freund, der mir eine Stelle verschafft, sobald ich draußen bin.«
    »Und wann ist das?« fragte Mary.
    »Drei Tage nach dir«, antwortete Evelyn. »Er hat mir gesagt, ich soll mir eine Partnerin suchen und eine Nummer zusammenstellen. Deswegen habe ich dich angesprochen. Ich glaube, wir würden ein gutes Paar abgeben, du blond und ich schwarz. Das zieht immer. Der Gegensatz.«
    Mary zögerte, und der Argwohn erwachte in ihr. »Was für eine Nummer?« flüsterte sie. »Ich habe keine Erfahrungen.«
    Evelyn lachte leise auf. »Die bringe ich dir in einer Nacht bei.« »Ach«, sagte Mary. »Das?«
    Evelyn nickte. »Es ist immer noch besser, als sich für zehn Dollar in der Woche die Beine in den Bauch zu stehen.«
    »Ich weiß nicht«, meinte Mary. »Daran habe ich nie gedacht.« »Ruhe!« rief eine Stimme von einem der Betten her. »Wir möchten schlafen.«
    Evelyn schlug ihre Decke zurück. »Leg dich zu mir«, sagte sie rasch. »Dann können wir reden, ohne daß diese Ziegen uns hören.«
    »Ich glaube, ich gehe besser in mein Bett«, flüsterte Mary.
    Evelyns weiße Zähne schimmerten auf. »Angst?«
    Mary antwortete nicht. Sie streckte sich auf dem Bett aus, und Evelyn zog die Decke über sie. Eine Weile lagen sie ganz still. Mary spürte die Wärme des Körpers des anderen Mädchens. »Was verstehst du unter richtigem Geld?« fragte sie.
    »Zwanzig bis dreißig Dollar am Tag für jede von uns«, erklärte Evelyn. »Das schafft man leicht.«
    Mary schwieg. Geld war das einzige, was zählte. Ohne Geld war man nichts wert. Außerdem blieb ihr gar nichts anderes mehr übrig. Kein anständiger Mann würde sich noch mit ihr abgeben, wenn er feststellte, was geschehen war. »Und was muß man da können?« Evelyn schwieg. Ihre Hände berührten sie in einer raschen
    Bewegung, und Mary hielt den Atem an. Sie entzog sich ihr. »Laß das!« stieß sie hervor.
    »Du hast gefragt, was man tun muß«, antwortete Evelyn.
    »Ja«, flüsterte Mary schroff, »aber ich habe nicht geglaubt, daß du eine ...«
    »Bin auch keine«, erklärte Evelyn. »Aber darin besteht das Ganze.« Am Tag bevor Mary entlassen wurde, half Evelyn ihr den Handkoffer packen. »Vergiß nicht, was ich dir gesagt habe«, raunte sie. »Warte am Freitagvormittag auf meinen Anruf.«
    »Ich vergesse es nicht«, versprach Mary.
    Wieder blickte sie auf ihre Uhr. Es war nun fast Mittag. Sie drückte ihre Zigarette aus und stellte ihren Handkoffer aufs Bett. Langsam begann sie zu packen. Niemand würde anrufen, und sie mußte hier heraus, so lange sie noch Geld genug hatte, um die Rechnung zu bezahlen.
    Das Telefon klingelte. Hastig nahm sie den Hörer ab. »Evelyn?«
    Sie hörte die Stimme eines Mannes. »Hier spricht Joe. Ich bin Evelyns Freund. Sie wartet draußen im Wagen. Können Sie kommen?«
    »Ich habe fast fertig gepackt.«
    »Gut«, antwortete er. »Ich komme hinauf und hole Sie ab.«
    Als er an die Tür klopfte, hatte sie alles gepackt. Sie öffnete. Draußen stand ein großer Mann mit rötlichem Gesicht. »Joe?« Er nickte, trat ins Zimmer und streckte seine Hand aus. »Sie sind wirklich so hübsch, wie Evelyn Sie geschildert hat«, erklärte er mit gespielter Herzlichkeit.
    Sie ließ seine Hand sofort los. »Danke«, sagte sie. »Ich bin jetzt soweit.« Sie trat zum Telefon. »Ich lasse den Boy kommen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht nötig. Ich trage den Koffer zum Hintereingang hinaus, und Sie gehen vorn hinaus wie sonst auch. Auf diese Weise sparen Sie sich die

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