Die Moralisten
dir«, erklärte sie. »Außerdem wollte sie nicht, daß irgend jemand das Kind benutzt, um dich zu erpressen.«
»Ich glaube dir kein Wort«, sagte Judd wütend. »Wo soll denn dieses Kind sein?«
Barbara legte ihm die Hand auf den Arm. »Bei mir. Es ist dein Sohn, Judd, ganz ohne Zweifel. Er sieht dir sehr ähnlich. Er hat sogar dieselben kobaltblauen Augen wie
du.« Judd preßte die Lippen zusammen.
»Das ist nicht mein Kind. Die Experimente von Dr. Za-biski mit der künstlichen Befruchtung sind alle fehlgeschlagen. Doc Sawyer hat mir gesagt, er hätte die Sache von vornherein so arrangiert, daß alle beteiligten Frauen eine Fehlgeburt hatten. Und bei Sofia wurde eine Abtreibung durchgeführt.« »Ich weiß, was ihr vorhattet«, sagte Barbara. »Sofia hat mir alles erzählt. Aber sie hat die Abtreibung nicht durchführen lassen. Sie war auch keine Versuchsperson wie die anderen. Dr. Zabiski hatte zugestimmt, daß eine no rmale Befruchtung stattfindet, und Sofia selbst die Kontrolle über das Experiment hatte.«
»Sie hat mich also belogen«, sagte Judd bitter. »Bis zum letzten Augenblick auf dem Flughafen, als sie mit der alten Dame nach Moskau zurückflog. Wahrscheinlich wollten sie das Kind in der Sowjetunion haben.«
»Nein«, widersprach Barbara. »Das Kind ist nie in der Sowjetunion gewesen. Ich weiß nicht, wie sie es hingekriegt hat, aber eines Tages stand sie in San Francisco bei mir vor der Tür und bat mich um Hilfe.
Am nächsten Tag bekam sie in einer privaten Klinik ihr Baby, und eine Woche später war sie schon wieder auf dem Rückweg in die Sowjetunion.« »Und was habt ihr mit dem Kind gemacht?« fragte er. Barbara sah ihm fest in die Augen. »Es war dein Kind, also haben wir das einzig Mögliche getan. Wir haben es adoptiert und versorgt. Wir lieben es sehr.« »Und mir habt ihr nie etwas gesagt.« »Nein. Hättest du es denn wissen wollen?« Er schwieg.
»Ich glaube, nicht«, flüsterte sie.
»Wer weiß sonst noch davon?« fragte er. »Onkel Paul? Doc Sawyer?«
»Niemand«, antwortete sie. »Außer Sofia, Jim und mir. Alle offiziellen Dokumente über die Geburt sind so ver-steckt, daß niemand sie findet.«
»Das ändert gar nichts«, sagte Judd mit ausdrucksloser Stimme. »Dieses Kind hat mit mir nichts zu tun.
Ich werde mein Leben genauso weiterführen wie bisher.« Barbara stand auf. »Du tust mir leid, Judd«, sagte sie leise, aber entschieden. Ohne sich umzudrehen, ging sie davon und ließ ihn auf der Couch sitzen.
19
»Es geht alles viel schneller voran, als wir gedacht haben«, sagte Doc Sawyer zufrieden. »Morgen wird das Kühlsystem mit den Zellkulturen verladen. Ich fliege nachher nach Atlanta, um den Transport zu begleiten.« »Ich dachte, wir würden uns in Boca Raton treffen«, sagte Judd, »und zusammen nach Brasilien fliegen?« »Ich möchte eigentlich lieber die Kulturen begleiten«, erwiderte Doc Sawyer.
Judd musterte ihn prüfend. »Okay. Ich kenne Sie ja lange genug. Was beunruhigt Sie?«
»Dieser verdammte Deutsche«, knurrte Doc Sawyer. »Er steckt seine Nase in Dinge, die ihn nichts angehen.
Alles, wofür er zu sorgen hat, ist der Reaktor. Und jetzt höre ich von unseren Leuten, daß er in den Laboratorien herumläuft und sich nach dem Kühlsystem für die Zellkulturen und allen möglichen anderen Dingen erkundigt.« »Vielleicht will er nur sicher sein, daß der Reaktor genügend Strom produziert?«
meinte Judd.
Doc Sawyer schüttelte den Kopf. »Seine Fragen gehen weit darüber hinaus. Er will auch wissen, wofür die Aggregate gebraucht werden. Ich traue dem Kerl nicht.« »Tun Sie, was Sie für richtig halten«, seufzte Judd. »Sie sind für die Sache ve rantwortlich. Aber halten Sie mich auf dem laufenden.«
»Mir wäre es lieber, wenn sich der Sicherheitsdienst den Kerl noch einmal vornehmen würde. Vielleicht gibt es da etwas, das wir nicht wissen. Ich muß immer noch an die beiden Agenten denken, die wir in Crane Island gehabt haben.« »Okay«, willigte Judd ein. »Ich sage den Sicherheitsleuten Bescheid.« Er warf einen Blick aus dem Fenster, aber aus zehntausend Meter Höhe war nur eine dichte Wolkendecke zu sehen.
Judd nahm den Telefonhörer und rief den Kapitän an. »Wie ist das Wetter in Los Angeles und Umgebung?« »Über dem ganzen Gebiet liegt gegenwärtig eine dichte Wolkendecke in ungefähr dreitausend Meter Höhe«, sagte Peters. »Für heute abend wird Bodennebel erwartet. Sieht nach richtiger Erbsensuppe aus. Der Flughafen in Los
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