Die Moralisten
du dich verdrückst?«
»Doc Sawyer kann den medizinischen Bereich übernehmen«, sagte Judd. »Den Rest kann Merlin leiten.
Zusammen wissen die beiden wahrscheinlich mehr über die Geschäfte als ich.« »Und was ist, wenn sie nicht wollen?« »Es wird ihnen nichts anderes übrigbleiben«, grinste Judd. »Dafür hast du ja selber gesorgt, Onkel Paul. Die Verträge die wir mit den beiden gemacht haben, binden sie wie Leibeigene an den Konzern. Sie können sich ihrer Aufgabe gar nicht entziehen.«
»Es gibt keinen Vertrag, der jemanden zur Arbeit zwingen kann, wenn er nicht will«, widersprach Gitlin.
»Oder willst du sie etwa verklagen?«
Judd lächelte. Er wandte sich an Sawyer und Merlin. »Wollt ihr mich im Stich lassen?« Die Männer schüttelten schweigend die Köpfe. Judd grinste triumphierend. »Siehst du, Onkel Paul. Doc und Merlin halten zu mir. Das sind keine Manager, Paul, das sind Freunde.«
Plötzlich stand Barbara auf. »Das ist nicht fair, Judd. Du lädst deinen Freunden die gesamte Verantwortung auf. Ich finde das nicht richtig. Dein Vater hätte das bestimmt nicht gutgeheißen.«
Judds Augen verengten sich. »Mein Vater ist tot. Solange er lebte, war es wichtig, was er gedacht hat.
Jetzt nicht mehr. Jetzt geht es um mein Leben und meine Entscheidungen. Das zählt.«
Barbara starrte ihn sprachlos an. Dann raffte sie ihre Sachen zusammen, stieß den Stuhl zurück und verließ das Büro. Judd warf den anderen einen lauernden Blick
zu. »Will sonst noch jemand gehen?«
Niemand sagte etwas. Judd wandte sich an Judge Gitlin. »Sprich mit ihr, Onkel Paul. Ich möchte nicht, daß sie im Zorn aus dem Haus geht.«
»Warum redest du nicht selbst mit ihr, Judd. Sie ist schließlich deine Stiefmutter, nicht meine.«
Barbara saß in einer Ecke des Vorzimmers. Mit einem Taschentuch tupfte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Judd trat leise heran und setzte sich neben sie. »Es tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Ich wollte dich nicht kränken.« Sie gab sich Mühe, ihr Schluchzen unter Kontrolle zu bringen, konnte aber nicht sprechen. Zum ersten Mal fiel ihm auf, wie zerbrechlich sie war. Er legte ihr den Arm um die Schultern. »Barbara«, flüsterte er, »es tut mir wirklich sehr leid.« Ihre Stimme war leise.
»Ich bin nicht beleidigt«, sagte sie. »Ich bin auch nicht böse. Mir ist nur zum ersten Mal klargeworden, was für ein blinder Träumer du eigentlich bist.« »Weil ich den Konzern nicht mehr will?« »Nein, darum geht es gar nicht. Aber wegen deiner verrückten Idee zerstörst du alle Chancen, wirklich zufrieden und glücklich zu werden.«
»Es ist keine verrückte Idee«, fuhr er auf. »Ich komme meinem Ziel täglich näher.«
»Und verlierst täglich mehr Geld«, entgegnete sie. »Aber nicht nur Geld. Du verlierst Macht. Du verlierst alles, was du besitzt. Vor allem die Menschen, die dich lieben und zu dir gehören.« Judd schwieg.
Barbara suchte seinen Blick. »Ich glaube, du verstehst gar nicht, was ich damit meine, nicht wahr?« »Ich weiß, was ich will«, sagte Judd trotzig. »Nein, das weißt du nicht«, widersprach sie leise. »Du denkst nur noch an dich. Dein Vater hat sich in erster Linie um seine Firma gekümmert, aber er hatte innerlich noch die Kraft, dich und deine Mutter zu lieben, und später auch mich. Aber du hast gar keine Kraft und keine Zeit mehr, um jemanden zu lieben.«
»Ich bin nicht mein Vater, und ich brauche auch nicht seine Gefühle zu haben.«
»Vielleicht solltest du es einmal versuchen«, sagte sie behutsam. »Warum gibst du dir keine Chance?«
»Wie kommst du auf die Idee, daß ich es nicht versucht hätte?« fragte Judd heftig. »Aber was haben mir die anderen denn jemals gegeben? Was soll ich denn noch für sie tun?« »Hast du jemals einen anderen um etwas gebeten?« fragte sie. »Sofia, zum Beispiel?«
»Für Sofia war ich doch bloß ein interessanter Patient.« Seine Stimme klang zy nisch. »Ein medizinisches Experiment.« »Du irrst dich«, sagte Barbara. »Vielleicht hat es so angefangen, aber das hat sich sehr schnell geändert. Sie liebt dich.« Judd schwieg.
»Wenn sie dich nicht liebte, Judd, hätte sie bestimmt dein Kind nicht bekommen und vor dir versteckt.«
Barbara schlug die Augen nieder und ließ den Satz in der Luft hängen. Er zwang sich, ihr in die Augen zu sehen. »Welches Kind?« fragte er heiser. »Deinen Sohn.«
»Meinen Sohn?« fragte er verblüfft. »Warum hat mir niemand etwas gesagt?«
»Sofia hatte Angst vor
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