Die Moralisten
tut gut«, murmelte Sofia.
Ginny rührte sich nicht von der Stelle. Sofia stutzte. »Stimmt etwas nicht?« »Sie wollen zu ihm, nicht wahr?« preßte das Mädchen hervor.
Sofia nickte. »Natürlich.«
Ginnys Augen schwammen in Tränen. »Bitte nicht! Gehen Sie nicht zu diesem Kerl. Nicht heute nacht.
Wir hatten doch so einen schönen Tag zusammen in der Stadt.«
Sofia begriff sofort. »Ginny«, beruhigte sie das Mädchen, Ginny, weinen Sie doch nicht, Kindchen.«
Bitte gehen Sie nicht«, flehte Ginny. »Ich will nicht, daß er Sie genauso nimmt wie alle anderen. Ich liebe Sie doch.« »Haben Sie mit ihm ...«
Ginny unterbrach ihre Frage. »Wir haben doch gar keine andere Wahl. Er kauft und benutzt uns doch alle.« Sofia zog das weinende Mädchen an ihre Brust. Ginnys Stimme klang gedämpfter: »Sie brauchen doch nicht zu tun, was er will! Sie gehören ihm nicht!«
»Ach, mein Kind«, seufzte Sofia. »Was wissen Sie denn? Jeder gehört irgend jemandem, jeder gehört irgendeiner Sache oder einer Person.«
Ginny hob die Augen und starrte sie an. »Sie lieben Judd also nicht?«
»Nein«, erwiderte Sofia, »ich liebe ihn nicht.« »Aber Sie gehen zu ihm?« »Ja«, bestätigte Sofia.
»Ich hasse ihn!« kreischte Ginny mit wutverzerrtem Gesicht. Sof ia gab keine Antwort. »Liebst du mich?«
fragte Ginny zitternd. Sofia blickte sie nachdenklich an. »Vielleicht irgendwann.«
Die Sonne, die durch das Bullauge schien, brannte in ihren schmerzenden Augen. Blindlings zog sie die Plastikjalousien herunter. Dann wurde ihr bewußt, daß sie rasende Kopfschmerzen hatte. Taumelnd setzte sie sich aufs Bett und sah sich vorsichtig um. Sie befand sich in ihrer eigenen Kabine, aber sie konnte sich nicht erinnern, die Treppe herunter und durch die Tür gekommen zu sein.
Mit zitternden Knien ging sie ins Bad und schluckte zwei Aspirin und eine kleine Valiumtablette. Sie stellte sich unter die Dusche, holte tief Atem und ließ erst kaltes, dann heißes und dann wieder kaltes Wasser auf sich herabprasseln. Ihr Kopf wurde langsam klarer.
Sie verließ die Duschkabine und wollte gerade zu ihrem Badetuch greifen, als sie plötzlich erschrocken innehielt. Im Spiegel bot sich ein gräßlicher Anblick: Ihr ganzer Körper war von den Brustspitzen bis zu den Schenkeln mit blauroten Blutergüssen bedeckt. Ungläubig betastete sie ihre Bauchdecke. Das gesamte Schamhaar war säuberlich abrasiert worden, der Venushügel stand nackt und geschwollen heraus ihre Schamlippen waren geöffnet wie der Krater eines Vulkans und ihre Klitoris brannte wie Lava. Mit einem Stöhnen drehte sie sich um und betrachtete ihren Rücken. Er war bis zu den Schenkeln mit dünnen roten Strie men bedeckt.
Behutsam berührte sie ihre Haut, aber es waren keine Schmerzen zu spüren. Noch einmal faßte sie ihre Brust und ihre Schenkel an, rieb und drückte ein wenig. Aber sie spürte keinerlei Schmerz.
Nachdenklich wickelte sie sich in das Handtuch, ging in die Kabine zurück, setzte sich auf die Bettkante und versuchte, sich an die Ereignisse der vergangenen Nacht zu erinnern. Es war zwecklos.
Sie nahm den Telefonhörer und drückte den Knopf. Raoul, der Chefsteward, meldete sich. »Ja bitte, Frau Doktor?« »Wann landen wir in Honolulu?«
»Wir haben Honolulu vor drei Stunden verlassen«, erwiderte Raoul höflich.
Sofia zögerte einen Moment. »Könnten Sie Ginny bitten, mir eine Tasse Kaffee zu bringen?«
»Tut mir leid, Frau Doktor.« Die Stimme des Stewards war ausdruckslos. »Ginny hat das Flugzeug in Honolulu verlassen.« Nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: »Ich lasse Ihnen den Kaffee gleich bringen.«
Sie legte den Hörer zurück auf die Gabel, und in diesem Augenblick fiel ihr alles wieder ein. Entsetzt schlug sie die Hände vors Gesicht. Es war ein Alptraum gewesen. Die beiden chinesischen Mädchen.
Zwillinge, die sich so ähnlich waren wie zwei Erbsen aus derselben Schote. Nackte Zwillinge, die kleine Opiumkügelchen zwischen ihren Fingern gerollt hatten. Zierliche kleine Hände, die eine Flamme entzündet und ihr die Pfeife an die Lippen gesetzt hatten.
Dann die sonnigen Wolken und der silberne Nebel. Sie hatte sich ganz aus ihrem eigenen Körper gelöst, hatte von außen seine Schönheit betrachtet, hatte zugesehen, wie die Mädchen alle Liebe aus ihm herausstreichelten, bis sie in einem riesigen Orgasmus zersprang und sich in Millionen Sternschnuppen auflöste, die langsam im Dunkel ve rglühten.
Dann wurde das Dunkel von Schmerzen
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