Die Mordbeichte
beschäftigen kön nen. Er hatte
keine großartige Ausbildung genossen, aber er war ein cleverer
Mann, der bis ins Herz der Dinge zu sehen vermochte. Diese
Fähigkeit und seine umfassende Kenntnis der menschlichen Natur,
die er sich in tausend langen müh samen Wochenendnächten
zulegte, hatten ihn zu einem guten Polizisten gemacht. Er hatte weder
die Idee noch den Wunsch, der Gesellschaft helfen zu wollen. Sein Job
bestand in erster Linie darin, Diebe zu schnappen. Und letztlich waren
ihm die Verbrecher lieber als die sogenannten Bürger; bei ihnen
wußte man wenigstens, woran man war. Aber Dandy Jack Meehan war
etwas anderes. Miller jagte ihn mit einem Haß, der fast
selbstzerstörerisch war. Genaugenommen war er zehn Jahre hinter
Dandy Jack her – ohne den geringsten Er folg. Und nun hatte er
zum erstenmal eine Chance. Und da stellte sich dieser Priester.
Wütend ließ er sich auf
den Rücksitz des Wagens fallen. Und einem plötzlichen Impuls
folgend, lehnte er sich vor und trug seinem Chauffeur auf, ihn zu
Meehans Bestattungsunter nehmen zu fahren.
5
Paul's Square war eine grüne
Insel im Herzen der Stadt, eine Rasenfläche mit Blumenbeeten und
Weiden und einem Springbrunnen in der Mitte, umgeben ringsum von
gepfleg ten georgianischen Terrassenhäusern, in denen vor allem
Rechtsanwälte und Ärzte ihre Praxen hatten. Meehans Bestat
tungsunternehmen paßte perfekt in diese gediegene Umge bung. Es
umfaßte drei Häuser auf der Nordseite, einschließ lich
eines Blumenladens und einer Leichenhalle. Durch eine versteckte
Toreinfahrt kam man zum Parkplatz und den Garagen. Hohe Mauern sorgten
für den ruhigen und unge störten Ablauf der Geschäfte
– jederlei Art.
Der große Bentley-Leichenwagen
fuhr kurz nach ein Uhr auf den Parkplatz. Meehan saß vorn mit
Billy und dem Chauffeur. Er trug wie üblich seinen doppelreihigen
Mantel, den Homburg und eine schwarze Krawatte, denn er hatte am Morgen
persönlich einem Begräbnis beigewohnt.
Der Chauffeur ging um den Wagen und öffnete die Tür. Meehan stieg aus, sein Bruder folgte.
»Danke, Donner«, sagte Meehan.
Ein kleiner grauer Whippet schlürfte aus einem Napf am
Hintereingang.
Billy rief: »Hierher, Tommy!«
Der Hund flitzte über den Hof
und sprang in Billys Arme. Billy kraulte ihn hinter den Ohren, und der
Hund leckte auf geregt Billys Gesicht ab.
»Na, du kleiner Bastard«, murmelte Billy zärtlich.
»Ich habe dir schon mehrmals
gesagt, daß er deinen Mantel ruinieren wird«, schnauzte
Meehan. »Überall diese Haare!«
Als er auf den Hintereingang
zusteuerte, kam Varley aus der Garage. Er blieb abwartend stehen, die
Mütze in der Hand. Ein Muskel seiner rechten Wange zuckte
nervös, von seiner Stirn tropfte Schweiß. Er schien kurz vor
dem Zusam menbruch.
Meehan blieb stehen, die Hände
in den Taschen, und mu sterte ihn ruhig. »Du siehst schlecht aus,
Charlie. Warst wohl ein böser Junge, hm?«
»Nicht ich, Mr. Meehan. Dieser Saukerl Fallon war es. Er …«
»Nicht hier, Charlie«,
sagte Meehan sanft. »Schlechte Nach richten höre ich immer
gern privat.«
Er nickte Donner zu, der die
Hintertür öffnete. Meehan ging in die Aufnahme. In der Mitte
stand auf einem Rollwagen ein Sarg, sonst war das Zimmer leer.
Er steckte sich eine Zigarette
zwischen die Lippen und bückte sich, um den Namen auf der
Messingplatte des Sarges zu lesen.
»Für wann ist das?«
Donner trat an seine Seite, ein Feuerzeug bereithaltend. »Drei Uhr dreißig, Mr. Meehan.«
Donner sprach mit australischem
Akzent. Er hatte einen leicht verzogenen Mund; die Wunde von der
plastischen Operation war noch deutlich sichtbar. Die
maßgeschneiderte dunkle Uniform milderte etwas sein
abstoßendes Äußeres.
»Ist es eine Einäscherung?«
Donner schüttelte den Kopf. »Eine Beerdigung, Mr. Meehan.«
Meehan nickte. »Gut. Kümmere dich mit Bonati darum. Ich werde wohl beschäftigt sein.«
Er wandte sich um, einen Arm auf dem
Sarg. Billy lehnte an der Wand und kraulte den Whippet. Varley stand
wartend in der Mitte des Raumes, die Mütze in der Hand. Er schien
zu fürchten, daß sich jeden Moment der Boden unter ihm
auftun könnte.
»Alsdann, Charlie. Erzähl schon!« drängte Meehan.
Varley erzählte. Die Worte
purzelten durcheinander in seinem Eifer, alles loszuwerden. Als er
geendet hatte, folgte langes Schweigen. Meehan hatte keine Miene
verzogen.
»Dann kommt er also um zwei Uhr
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