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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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und wie man ihr den verschaffte, war gleichgültig.
    «Wo leben Ihre Eltern jetzt?» fragte
er etwas später, als sie Seite an Seite an den Heizkörper gelehnt saßen. «Ich
meine, in welchem Teil Londons?»
    «In Belsize Park. Kennen Sie die
Gegend?»
    «Ja.» Bilder der tristen Straßen mit
ihren heruntergekommenen viktorianischen Reihenhäusern, der von Katzen
übervölkerten Gärten eines einst wohlhabenden Vororts zogen an seinem inneren
Auge vorbei. «Viele Flüchtlinge leben dort», sagte er aufmunternd. «Und es ist
ganz in der Nähe von Hampstead Heath, einer wunderschönen Gegend.» (In der
Nähe, aber nicht ganz in der Nähe ... Hampstead auf der Anhöhe war eine andere
Welt mit hübschen kleinen Häusern, Magnolien und blauen Schildern an den
Häusern, die mitteilten, daß hier eine Menge berühmter Leute gelebt hatten.)
«Wird Ihr Vetter Heini auch dorthin kommen?»
    «Ja. Sobald er in Budapest sein
Visum erhalten hat. Er ist ja Ungar, und dort haben die Nazis nichts zu sagen.
Er mußte schnell von hier weg, weil er Volljude ist. Nach dem Tod der
Ziegenhirtin hat mein Großvater nämlich noch einmal geheiratet, die Tochter
eines Rabbiners, die schon eine kleine Tochter hatte – sie war Witwe –, und das
war Heinis Mutter. Wir sind also nicht blutsverwandt.» Ihr Glas mit beiden
Händen umschlossen haltend, wandte sie sich ihm zu. «Er ist ein großartiger
Pianist. Ein wahrer Künstler. Er sollte mit den Philharmonikern sein Debüt
geben – drei Tage nach Hitlers Einmarsch ...» Sie zog sich einen Moment hinter
ihr Haar zurück.
    «Und Sie beide wollen heiraten?»
    «Ja ... Das heißt, Heini spricht
kaum vom Heiraten. Er ist ja Musiker – Künstler ... Solche Menschen halten
nicht viel von bürgerlichen Dingen wie Heirat und so. Aber wir wollen zusammenleben.
Ganz ordnungsgemäß, meine ich. Nach dem Konzert wollten wir eigentlich zusammen
weggehen, nach Italien. Ich wäre schon früher gegangen, aber meine Eltern sind
sehr altmodisch ... außerdem hat mich die Geschichte von Chopin und seinen
Etüden davon abgehalten.»
    Quins Hand, die eben die Gabel zum
Mund führen wollte, blieb in der Luft hängen. «Nehmen Sie es mir nicht übel,
aber da komme ich leider nicht mehr mit. Was spielen denn Chopins Etüden hier
für eine Rolle?»
    Zu spät wurde sich Ruth bewußt, auf
welchen Weg sie sich da begeben hatte. Entsetzt und mit der peinlichen
Erkenntnis, daß das, was man getrunken hat, nicht ungetrunken gemacht werden
kann, starrte sie in ihr leeres Glas. Der Wein hatte so köstlich geschmeckt,
hatte so gutgetan; es war ein Gefühl gewesen, als tränke man Hoffnung oder
Glück, und jetzt hatte sie einen Schwips und redete dummes Zeug.
    Doch Quin wartete auf ihre Antwort,
und sie stürzte sich in das Unausweichliche.
    «Heini hatte einen Lehrer, der hat
ihm erzählt, daß Chopin der Meinung war, jedesmal, wenn er mit einer Frau
zusammen sei, brächte er die Welt um eine Etüde. Ich meine – äh – Sie wissen
schon – das Komponieren braucht die gleiche Energie wie – das andere. Eine Art
Lebenskraft. Und dieser Lehrer riet Heini, noch zu warten. Aber dann kam Heini
dahinter, daß der Fingersatz, den ihm der Lehrer für die Appassionata gezeigt
hatte, gar nicht stimmte, und da sagte er sich, er könnte sich ja auch in bezug
auf Chopin und seine Etüden geirrt haben. Ich meine, Chopin war doch immerhin
mit George Sand zusammen, nicht wahr?»
    »Das ist richtig», bestätigte Quin,
höchst amüsiert über diese Enthüllungen.
    Erst als sie ihr Picknick beendet
hatten und Ruth, die sich in der dichter werdenden Dunkelheit flink und
geschmeidig bewegte, zusammengeräumt hatte, sagte er: «Ich habe darüber
nachgedacht, was wir tun können. Ich finde, wir müssen Sie aus Wien hinausbringen,
an irgendeinen ruhigen, sicheren Ort auf dem Land. Dann können wir von England
aus noch einmal einen Anlauf nehmen. Ich habe ein paar Bekannte beim
Außenministerium; da läßt sich sicher etwas machen. Und ich glaube nicht, daß
man Sie außerhalb der Stadt belästigen wird. Ich werde dafür sorgen, daß Sie genug
Geld haben, um sich in der Zwischenzeit über Wasser zu halten, und wenn Ihr
Vater und wir alle von England aus Dampf machen, werden wir Sie bestimmt bald
bei uns drüben haben. Aber fürs erste müssen Sie von hier weg. Kennen Sie
jemanden, bei dem Sie unterkommen könnten?»
    «Meine alte Kinderfrau. Sie lebt an
der Schweizer Grenze, in Vorarlberg. Sie würde mich sofort aufnehmen, aber ich
weiß nicht, ob

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