Die Morgengabe
«War es in Ordnung?» fragte
sie atemlos. «Es war doch alles richtig, nicht wahr?»
«Ja, ja», sagte er und lächelte
sogar, bevor er sich abwendete, um seine Bewunderer zu begrüßen und sich feiern
zu lassen.
Doch in der Nacht, als er nach Hause
kam, wurde ihm von neuem bewußt, wie allein er war. Daß sein Vater bis tief in
die Nacht hinein in der Redaktion arbeiten würde, hatte er gewußt; aber auch
seine Stiefmutter war ausgegangen. Sie hatte ihm zwar ein Briefchen
hinterlassen und auf dem Herd einen Topf Gulasch, aber nie zuvor war Heini in
ein leeres Haus zurückgekehrt.
Er stand
draußen auf der mondbeschienenen Veranda, als sein Vater mit zwei Gläsern Wein
durch die Flügeltür heraustrat. «Wie war es?»
«Ganz gut,
glaube ich.»
«Ich habe über das Buschtelefon
bereits positive Stimmen gehört. Du wirst es einmal weit bringen, Heini.»
Heini nahm lächelnd sein Glas entgegen.
«Ruth fehlt mir», sagte er.
«Ja, das kann ich mir vorstellen»,
meinte sein Vater, der Ruth in Wien kennengelernt hatte. «An deiner Stelle
würde ich sie schnellstens heiraten, ehe ein anderer sie dir wegschnappt.»
«Oh, das passiert bestimmt nicht.
Wir gehören zusammen.»
Radek schwieg. Er sah hinunter auf
die Lichter der Stadt, in der er sein ganzes Leben verbracht hatte. Er war
jetzt fünfzig Jahre alt, aber er sah älter aus, und er war tief besorgt.
«Geht mit
deinem Visum alles in Ordnung?»
«Soviel ich
weiß, ja.»
«Ich glaube, du solltest keine Zeit
versäumen, Heini. Es gefällt mir nicht, wie die Dinge sich entwickeln. Wenn
Hitler gegen die Tschechen marschiert, werden die Ungarn versuchen, sich ihren
Anteil an der Beute zu sichern, und das heißt, vor den Deutschen kuschen. Es
gibt hier noch keine Gesetze gegen die Juden, aber sie werden kommen.»
Unvermittelt fügte er hinzu: «Ich habe einen Posten in der Schweiz angenommen.
Marta reist nächste Woche voraus, um uns eine Wohnung zu suchen.»
Heini blieb tief beunruhigt zurück,
als sein Vater wieder ins Haus ging. Wenn sein Vater bereit war, seine Heimat
zu verlassen und auf das Prestige zu verzichten, das er in Ungarn genoß, so
konnte das nur bedeuten, daß wirklich Gefahr im Verzug war. Heini zog nichts
nach England, dieses Land ohne Musik, dieses Land der Kälte und der Nebel, aber
es schien doch ratsam, daß er sich so schnell wie möglich in das ungeliebte
Land begab. Ein Trost war, daß Ruth ihn dort erwartete, Ruth, die er liebte und
die er brauchte. Demütig gestand Heini sich ein, daß er Ruth viel zuwenig
gewürdigt hatte. Aber das alles würde sich ändern. Nicht nur würde er Ruth ganz
zu der Seinen machen, sowohl körperlich als auch geistig, er war auch bereit –
ja, das stand jetzt für ihn fest –, sie zu heiraten. Mit einundzwanzig war er
für einen so entscheidenden Schritt noch sehr jung, und sein Agent in Wien
hatte ihm davon abgeraten. Gerade reiche ältere Damen pflegten bevorzugt junge
Musiker am Beginn ihrer Karriere zu fördern, und es war nur natürlich, daß sie
unverheiratete Schützlinge mit besonderer Gunst bedachten. Aber das war
unwichtig. Er war bereit, dieses Opfer zu bringen.
Impulsiv lief er hinein, holte sich
Papier und Bleistift, zündete die Lampe auf der Veranda an und setzte sich, um
einen Brief zu schreiben. Er berichtete Ruth von dem Konzert und der Katastrophe
mit Mali, er schrieb ihr in bewegenden Worten von seiner Liebe. Aber da er
Ruths pragmatisches Wesen kannte, da er wußte, wie dringend sie es brauchte,
helfen zu können, schrieb er ihr auch, was sie für ihn tun sollte.
«Wenn ich komme, brauche ich ein
Klavier, mein Liebes», schrieb er. «Ich erwarte selbstverständlich nicht, daß
Du eines kaufst – mir ist klar, daß das Geld fürs erste etwas knapp sein wird
–, aber Du kannst mir doch sicher eines mieten. Ideal wäre natürlich ein
Flügel, aber wenn dafür im Salon Deiner Eltern kein Platz ist, tut es auch ein
einfaches Klavier. Ein Bösendorfer wäre mir das liebste, Du weißt ja, daß ich
sie bevorzuge, aber ich bin natürlich auch mit einem Steinway oder einem
Bechstein zufrieden; aber wenn es ein Bechstein ist, dann sollte es ein Modell
8 sein, keines der kleineren
Instrumente. Stimmen läßt Du es vielleicht am besten erst am Tag vor meiner
Ankunft. Ach, und Ruth, keinesfalls ein englisches Klavier, auch kein
Broadwood. Ich weiß, ich kann mich auf Dich verlassen, mein Liebes. Du hast
mich bisher noch nie enttäuscht, und Du wirst mich auch nicht enttäuschen.»
Als Heini
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