Die Moulokin-Mission: Science Fiction-Roman
kolossal und mußte das tun, was alle anderen Lebewesen taten, wenn ein Rifs nahte – fliehen.
»Wir kriegen das nie rechtzeitig fertig«, beklagte sich einer der verängstigten Tran, der an der Backbordheckkufe des Schiffes stand.
Ethan streifte die Schlittschuhe ab und stieg die nächste Leiter nach oben. Er fand Ta-hoding, Elfa und Hunnar in erregtem Gespräch auf dem Steuerdeck. Williams und September waren nirgends zu sehen.
»Wir müssen die Trossen lösen und fliehen, bis der Rifs sich ausgestürmt hat«, sagte Elfa.
»Ein Rifs kann viele Tage wehen. Wir vergeuden Zeit«, wandte Hunnar ein.
Sie sah ihn spöttisch an. »Besser Tage vergeuden als das Schiff.«
»Vielleicht«, warf Ta-hoding ein, dem offenbar daran gelegen war, Frieden zu stiften, wobei er freilich den herannahenden Sturm nicht aus den Augen ließ. »Aber ich glaube, Sir Hunnar hat noch einen Vorschlag zu machen.«
»Richtig.« Der Ritter deutete nach achtern. »Wir müssen hier weg, müssen Tempo aufnehmen und versuchen durchzubrechen.«
»Dabei wird aber das Schiff brechen und nicht das Eis.« Sie bemerkte jetzt, daß Ethan sie beobachtete, und ihr Tonfall veränderte sich völlig. »Was ist Eure Meinung, Sir Ethan?«
Plötzlich war ihm bewußt, daß viele Augen auf ihm ruhten. Matrosen und Kapitän, Junker und Ritter. Sie unterbrachen ihre geradezu hektische Arbeit nicht, warteten aber dennoch gespannt auf seine Antwort.
Gut. Sie sollten es ruhig alle hören. »Ich finde, wir sollten tun, was Sir Hunnar entscheidet«, sagte er, laut genug, daß alle es deutlich verstehen konnten. »Der Rifs ist ein Feind, gegen den wir kämpfen müssen, und wenn es um eine Schlacht geht, hat Sir Hunnar noch immer das Richtige entschieden.«
Hunnar starrte ihn ein paar Augenblicke lang an, murmelte dann, als wäre ihm das nachträglich eingefallen: »Wir haben keine Wahl. Wir müssen versuchen, durchzubrechen.«
»Das wäre dann also entschieden!« Ta-hoding blickte erleichtert und machte sich daran, die entsprechenden Befehle zu erteilen. Die Menge, die sich zum Steuerdeck geschoben hatte, ging auf ihre Stationen. Hunnar und Ethan musterten einander noch ein paar Minuten lang, bis Hunnar schließlich lächelte und sich auf seinen Posten begab.
War er nun dankbar – oder ärgerlich, weil er Herablassung argwöhnte? Ethan hatte keine Zeit, über die Stimmung des Ritters nachzudenken. Es gab Kabel zu verstauen, Leinen auszurichten, Matrosen zu beruhigen.
Überall auf Deck hallten Befehle. Der Eissegler beschrieb einen weiten Bogen. Ihr Kurs würde sie auf einer Kurve nach Osten tragen und dann nach Norden in die vorderste Front des Sturms. Mit ihm im Rücken würden sie dann auf die fast fertiggestellte Bresche in der Mauer zurasen und sich mit Gewalt einen Weg durch die noch verbliebenen Eisblöcke bahnen.
Es gab freilich auch andere Möglichkeiten, doch Ethan zog es für den Augenblick vor, sich nicht näher mit ihnen zu befassen.
Vom Standpunkt der Floßfahrkunst war der Plan völlig klar und logisch. Vom gefühlsmäßigen Standpunkt freilich nicht, denn der Sturm schien förmlich nach ihnen zu greifen, als sie etwa die Hälfte des Kreisbogens zurückgelegt hatten.
So dicht an der Vorderseite des Orkans sah der Himmel wie eine mächtige, schwarze, gußeiserne Wand aus, die drohend zu ihrer Linken aufragte, bereit, herunterzupoltern und weiches Holz und noch weichere Lebewesen zu vielfarbigen Flecken auf dem Ozean zu zerschmettern. Wenn ihre Berechnungen falsch waren, und der Rifs das Schiff an der Breitseite traf, würde er sie ohne Zweifel zum Kentern bringen, und dann würden Mäste, Kabinen, Deck und Mannschaft in Stücke gerissen werden.
Wie ein goldener Faden in einem Cape aus Samt fand ein Blitz seinen Weg durch die Wogen der Finsternis. Ein Poltern und Krachen, das Kriegsgeschrei feindlichen Wetters, erreichte die Mannschaft und veranlaßte sie, noch schneller zu arbeiten, sich noch mehr Mühe zu geben, das Schiff herumzuziehen.
Die ersten Ausläufer des Rifs tasteten nach dem Schiff. Nicht kräftig, aber das waren auch nicht die gleichmäßigen, freundlichen, alltäglichen Winde von Tran-ky-ky. Doch die bliesen auch nicht mehr gleichmäßig in den Westen. Verstörte Zephire umfächelten Ethan verwirrt. Träge Böen huschten an ihm vorbei, wie verängstigte Tiere, die einen Schlupfwinkel suchen.
»Das wird mächtig knapp werden, Jungchen«, sagte September schließlich mit einer Stimme, die grimmiger klang als alles, was Ethan
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