Die Mütter-Mafia
Händen. Sie hatte einen Aufdruck mit gelben Blümchen, Omi Wilma musste sie seit den Siebzigerjahren unter dem Hütchen verwahrt haben.
»Hat er auch«, sagte Nelly und heulte fast. »Er hat ein paar Kartons bei uns ins Gästezimmer gestellt. Ich dachte, die grässlichen Möbel hätte er dem Roten Kreuz gespendet oder so.«
»Tja, das ging wohl nicht so einfach. Die meisten davon können wahrscheinlich nur mit einem Kran aus dem Haus geschafft werden«, sagte ich nachdenklich. »Man müsste vermutlich eine Außenwand dafür einreißen. Und was sollte das Rote Kreuz auch damit anfangen?«
»Verbrennen«, heulte Nelly. »Irgendwo frieren doch wohl ein paar paar arme Menschen und brauchen dringend Feuerholz!«
Das Obergeschoss hatten wir zu Omi Wilmas Lebzeiten nie betreten, aber die Hoffnung, dass es dort oben vielleicht besser aussehen könnte, mussten wir schnell begraben. In Omi Wilmas so genanntem Nähzimmer hatte Lorenz Julius' Möbel untergebracht, sein Hochbett, seine Kommode, seinen Leuchtturmkleiderschrank, den Spielteppich und elf Ikea-Spielzeugkisten mit rotem Deckel. Alles das passte spielend zwischen Omi Wilmas Nähtisch und die deckenhohe Schrankwand, beides aus Mahagoni. Statt der vorhandenen, meiner Erinnerung nach olivfarbenen Samtvorhänge, hatte Lorenz die himmelblauen Wölkchenvorhänge aus Julius' altem Kinderzimmer aufgehängt, die zwar viel zu lang waren, aber dem olivfarbenen Teppichboden und dem gleichfarbigen Wandanstrich eine heitere Note verliehen.
»Eine Monsterhöhle«, murmelte Nelly.
Julius aber freute sich. Er hatte immer noch das Klorollenhütchen auf dem Kopf und strahlte, als er seine Spielsachen sah. Seine gute Laune war so schnell durch nichts zu erschüttern.
In Nellys neuem Zimmer, Omi Wilmas ehemaligem Gästezimmer, lag neutralgraue Auslegware, und der Kleiderschrank war ausnahmsweise mal nicht aus Mahagoni, sondern aus Sperrholz mit vergilbtem Kiefernfurnier, ebenso wie die Kommode und das schmale Bett. Es handelte sich hier um die Überreste von Lorenz' Jugendzimmer, und es pappten sogar noch Achtzigerjahreaufkleber darauf An der Wand hing ein Abba-Poster.
Nelly warf ihren Krempel auf das Bett und bekam einen Kreischanfall: »Hier bleibe ich nicht! Das ist eine Zumutung! Das kann doch kein Mensch von mir verlangen! Ich will zurück zu Papi!«
Ich auch, dachte ich, sagte es aber nicht. Und eigentlich wollte ich auch nicht zurück zu Papi, Papi war doch überhaupt an allem schuld. Papi war ein Schweinehund. Dieses Haus war eineZumutung. So eine Umgebung wünschte man nicht mal seinem ärgsten Feind.
Als ich das Schlafzimmer sah, in welches Lorenz mein Bettzeug geworfen hatte, wusste ich, dass ich vermutlich kein Auge zutun würde. Im Dämmerlicht der Deckenlampe schien mir Omi Wilma aus dem dreigeteilten Mahagoni-Spiegel schadenfroh zuzublinzeln.
»Guck mal, Mami, hier kannst du auch gegen die Wand kotzen«, sagte Nelly, wohl um mich aufzumuntern. »Würde jedenfalls gar nicht auffallen.«
Das gab mir den Rest.
»Dieses Haus hat kein gutes Karma«, murmelte ich vor mich hin, während ich Trudis Nummer wählte. Für heute Nacht würde ich gerne ihr Angebot annehmen und ein Lager in ihrem Wohnzimmer beziehen. Und morgen konnte sie sich dann das Haus vornehmen und alle Hausgeister vertreiben, einschließlich Omi Wilma höchstpersönlich.
Aber Trudi war nicht da. Ihr Anrufbeantworter verkündete, dass sie über Karneval auf einem bewusstseinserweiternden Seminar am Gardasee sei. Für ihre bescheuerten Kurse suchte sie sich wenigstens immer schöne Gegenden aus.
Sonst kannte ich niemanden, den ich hätte anrufen können. Fürs Hotel hatte ich definitiv kein Geld.
»Hat noch jemand Hunger?«, fragte ich.
»Nein danke, mir ist schon schlecht«, sagte Nelly und rannte zurück in ihr Zimmer, wo sie sich laut heulend auf das Bett warf.
Julius und ich streichelten sie abwechselnd.
»Jetzt gehen wir erst mal schlafen«, sagte ich. Positiv denken hieß die Devise. Das hätte mir jedenfalls Trudi geraten. »Und morgen besprechen wir das alles mit Papa. Ich bin sicher, hier lässt sich was Tolles draus machen.« Bei dieser Lüge wurde ich ein bisschen rot. »Papa muss uns nur ein bisschen Geld geben, dann machen wir hier einen Palast draus. Richtig hip!«
Nelly schniefte ungläubig.
Julius hatte eine Klappe im Sperrholz gefunden und geöffnet. »Guck doch mal, Nelly, hier hast du sogar deinen eigenen Fernseher«, sagte er begeistert.
»Der ist schwarz-weiß«, heulte
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