Die Mütter-Mafia
bisher haben wir noch jedes Mal gewonnen. Wenn Sie möchten, rufe ich gleich morgen bei ihm an.«
Ich fühlte mich auf einen Schlag besser. Diese Mimi war mir so sympathisch, dass ich nicht wollte, dass sie gleich wieder ging.
»Haben Sie vielleicht Zeit für einen Kaffee?«, fragte ich. Glücklicherweise hatte Mimi Zeit. Ich wusste, kaum dass sieüber die Schwelle getreten war, dass dies der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein würde.
Und es sollte auch den Anfang vom Ende für Omi Wilmas grausame Inneneinrichtung bedeuten.
»Wir revonieren gerade«, erklärte Julius und zeigte auf die Müllsäcke.
»Wir versuchen es jedenfalls«, ergänzte ich. »Sie sind nicht zufällig Innenarchitektin von Beruf?«
Mimi schüttelte den Kopf »Aber ich habe Homes and Gardens abonniert.« Sie sah sich neugierig im Wohnzimmer um.
Eine Weile lang sagte sie gar nichts.
»Ja«, sagte ich verständnisvoll. »Das kann einem schon mal die Sprache verschlagen.«
»Ich glaube, die Möbel sind gar nicht mal so hässlich«, meinte Mimi. »Es ist das viele Braun, das einen erdrückt. Sicher könnte man hier so manches Stück mit ein wenig Farbe therapieren.«
»Und wann ist hier Sperrmüll?«, fragte ich.
»Sperrmüll!«, rief Mimi schockiert aus. »Doch kein Sperrmüll! Sperrmüll ist out. >Ebay< ist in. Ich habe die ganzen Bleikristallvasen, die meine Mutter zu ihrer Hochzeit bekommen hat, bei >Ebay< verkauft, ein Sammler in Niederbayern hat Höchstpreise dafür geboten, so viel, dass wir im Januar für drei Wochen nach Thailand geflogen sind! Und mein Keller ist endlich wieder leer.«
Für einen Augenblick sah ich rosige Zeiten für uns anbrechen, doch dann kam ich zurück auf den Boden der Tatsachen. »Das wird aber ein bisschen schwierig werden, diese Schrankwand auf die Post zu tragen und nach Niederbayern zu verschicken«, sagte ich.
Die Zukunft sah nun nicht mehr ganz so schwarz aus. Hier war endlich jemand, der Licht in mein Chaos brachte.
Mimi besaß im Gegensatz zu mir die Fähigkeit, sich Tapeten, Möbel und Vorhänge, eben alles Scheußliche, einfach wegzudenken und nur das Positive zu sehen.
»Gute Proportionen«, sagte sie zum Esszimmer und: »Was für ein ein herrlicher Raum!«, zu dem trostlosen Wintergarten-Pflanzenfriedhof.
»Und was für eine miese, abgestandene Luft«, sagte ich und öffnete die Fensterflügel hinaus zum Garten. Frische, kalte Luft strömte in den Raum. Von den Bäumen hörte man Vogelgezwitscher. Der Frühling war nicht mehr weit.
»Ich hab Empfang!«, hörten wir jemanden enthusiastisch brüllen. »Ich hab Empfaaaaaaaaaang!«
Mit diesen Worten stürzte Nelly vom Baum.
*
Ich bin mir ziemlich sicher, dass »Ich hab Empfang« in die lange Riege berühmter letzter Worte eingereiht wird, gleich nach »Ist das etwa ein Zug?« und »Bist du sicher, dass das Champignons waren?«.
Aber zum Glück waren es nicht Nellys letzte Worte. Sie brach sich nur den Arm und fluchte wie ein Bierkutscher. Natürlich gab sie mir die Schuld dafür, dass sie vom Baum gefallen war.
»Wenn du dich nicht mit Papi gestritten hättest, dann wären wir nicht in dieses verdammte Funkloch gezogen, und ich hätte nicht auf einen Baum klettern müssen!«, schniefte sie und rieb sich mit ihrem gesunden Arm den Hintern. Dann heulte sie los wie eine Vierjährige. Julius heulte aus lauter Sympathie gleich mit ihr. Ich rannte ebenfalls heulend ins Haus zurück, um den Notarzt anzurufen. Mimi hielt mich am Ärmel fest.
»Ich fahr euch in die Klinik«, sagte sie. »Das geht schneller.«
Mimi fuhr ein smaragdgrünes Cabrio, das Nelly sofort für sie einnahm. Sie unterbrach ihr Weinen, um mir zu sagen, dass ich mir auch unbedingt so ein Cabrio zulegen müsse. Ich kühlte ihren Arm mit Omi Wilmas Kopfschmerzkompressen und nickte.
»Alles, was du willst, mein Schatz«, sagte ich. Wenn es meinen Kindern schlecht ging, konnten sie alles von mir bekommen.Später würde es mir Leid tun. Ich beschloss, mich damit herauszureden, dass ich gar keinen Führerschein hätte. Ich wusste sowieso nicht, wo sich der alte, nie gebrauchte Lappen herumtrieb.
In der Klinik war Nelly dann plötzlich ganz zivilisiert und tapfer, was an dem gut aussehenden, jungen Assistenzarzt liegen konnte, der uns versicherte, dass Nellys Arm in sechs Wochen wieder ganz der alte sein würde. Sie murrte nur, weil sie ihr Handy, das nun endlich einwandfreien Empfang hatte, im Krankenhaus nicht benutzen durfte. Ich rief Lorenz von der Notaufnahme
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