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Die Mütter-Mafia

Titel: Die Mütter-Mafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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brüllte er.
    Flavia wurde von den Blicken der Mutter sozusagen erdolcht, während sie Marlon tröstend in ihren Armen wiegte. »Flavia, damit ist Fernsehen auch für morgen gestrichen.«
    »Aber Mama! Er hat mich voll gespuckt. Der ganze Anorak ist voll!«
    »Daa niß wah! Daa niß wah!« »Wohol! Wohol!« »Planßtuh! Planßtuh!« »Flitschbirne! Flitschbirne!«
    »Iß bin teine Flitßbööne! Mama, die Flavia hat miss Flitßbööne denennt!«
    »Ja, weil du Planschkuh gesagt hast!« »Hab iß daa niß.«
    »Keine Diskussion mehr!« Der Tonfall der Mutter ließ einem das Blut in den Adern gefrieren. Für einen Augenblick herrschte Ruhe. Der Dolchblick wanderte durch den Raum und blieb an mir hängen. Ich drehte peinlich berührt meinen Absatz in meinen Händen hin und her. Aber der Frau war meine Anwesenheit kein bisschen peinlich. Sie lächelte mich an. »Geschwisterrivalität wie aus dem Lehrbuch, nicht wahr?«
    »Äh«, sagte ich.
    »Du musst die neue Mutter sein, die allein Erziehende!« Die Dolchfrau streckte mir die Hand entgegen. Obwohl sie jetzt lächelte, hatte sich an der Schärfe ihres Blicks nichts geändert. Er war einmal an mir hinabgewandert bis zu dem ramponierten Stiefel und wieder hinauf Ich hatte das dringende Bedürfnis, das mit dem Absatz zu erklären. »Ich bin Frauke Werner-Kröllmann, Mama von Laura-Kristin, Flavia und Marlon, Vorsitzende im Elternrat, Chefredakteurin der Kindergartengazette, Herausgeberin unseres Kochbuchs für Kiddies und zurzeit amtierende Obermami der Mütter-Society.«
    Boah!
    »Constanze Wischnewski«, sagte ich. »Ich bin die Mami von Julius und habe mir gerade den Stiefel an einem Gullideckel ruiniert.« Aaaargh! Hatte ich das wirklich gesagt? Es musste die Verwirrung sein, die mich so sprechen ließ. Und ich war gleich doppelt verwirrt von Frauke Doppelnamen-Vorstandsvorsitzende--Herausgeberin-Obermami.Hatte sie nicht irgendwo zwischen den vielen Titeln, die sie mir um die Ohren gehauen hatte, den Namen »Kröllmann« genannt? Allem Anschein nach hatte ich Jan Kröllmanns Ehefrau vor mir. Na so was.
    Das bedeutete wohl, dass der sprachgestörte Panz auf ihrem Schoß Jan Kröllmanns Sohn war. Er hatte das Gebrüll eingestellt, um seiner Schwester die Zunge rauszustrecken. Die tat so, als ob sie es nicht sähe.
    »Du hast wirklich Glück gehabt«, sagte die amtierende Obermami zu mir. Jetzt guckte sie richtig freundlich. Ich revidierte sogleich bereitwillig meinen ersten Eindruck. Ohne den Dolchblick sah sie eigentlich ganz nett aus. Wenn auch immer noch wie meine Mutter. »Eigentlich war der Platz nämlich für Marlon vorgesehen. Weil er so unheimlich weit in seiner motorischen und sprachlichen Entwicklung ist, habe ich darauf gedrängt, ihn noch mitten im Jahr aufzunehmen, obwohl er erst im letzten Monat drei geworden ist. Aber zu Hause ist er schlichtweg unterfordert, und Unterforderung ist das Schlimmste für hochbegabte Kinder.« Liebevoll betrachtete sie den hochbegabten Marlon, dem das Zungerausstrecken zu langweilig geworden war und der sich nun von Garderobenhaken zu Garderobenhaken hangelte.
    »Aber neu Zugezogene und allein Erziehende haben natürlich Vorrang«, sagte sie aufseufzend. »Wir fordern Marlon jetzt mit Fremdsprachenunterricht und schwanken noch zwischen Violine und Oboe.«
    »Lass miss loß, du Aßloß«, brüllte Marlon seine große Schwester an, die ihn an der Kapuze festhielt. Ich wusste ja jetzt, dass er nicht sprachgestört war, sondern hochbegabt. Da sah man so ein Kind doch gleich mit anderen Augen an. Wahrscheinlich hatte es vor lauter Unterforderung mit dem Lispeln angefangen.
    »Mama! Marlon hat Arschloch gesagt.«
    »Iß hab daa niß Aßloß desagt, du Aßloß!«
    »Das klingt polnisch«, sagte Frauke zu mir.
    »Aßloß?«, fragte ich. »Eher dänisch, würde ich sagen. Aber ich kann weder polnisch noch dänisch, um ehrlich zu sein. Ich bin leider kein bisschen hochbegabt.«
    »Wischnewski«, sagte Frauke ein bisschen ungeduldig. »Wischnewski klingt polnisch.«
    »Ach so.«
    »Hast du polnische Vorfahren?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Es ist der Name von meinem Mann.«
    »Ich dachte, du bist geschieden?«
    »Ja, demnächst«, sagte ich.
    »Und danach wirst du den Namen behalten?«
    Tja. Jetzt hatte sie mich erwischt. Darüber hatte ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Es wäre wohl irgendwie unpassend, weiterhin Lorenz' Namen zu tragen, wenn wir gar nicht mehr zusammen waren. Mit Mädchennamen hieß ich Bauer.

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