Die Mütter-Mafia
Früher war mir das immer peinlich gewesen. »Milch von Bauer Bauer« - das klang doch saublöd. Andererseits war ich kein Bauer, und gegen »Constanze Bauer, allein erziehende, bankrotte und arbeitslose Mutter« war rein namenstechnisch nichts einzuwenden. Aber dann hätte ich einen anderen Nachnamen als meine Kinder, und das wäre vielleicht befremdlich.
»Deshalb macht es Sinn, einen Doppelnamen zu tragen«, sagte Frauke und lächelte mich aufmunternd an. »Dazu ist es aber leider jetzt zu spät. Trotzdem, ich würde für den Mädchennamen plädieren. Wischnewski klingt zu sehr nach Autoschieberei.«
»Ich finde, es klingt zu sehr nach meinem Exmann«, sagte ich und lächelte zurück. Vielleicht war sie ja doch ganz nett, die Obermami. Auf jeden Fall lohnte es sich, sich mit ihr gut zu stellen. Ich war fest entschlossen, mir dieses Mal Julius zuliebe mehr Mühe zu geben, mehr Kontakte zu knüpfen und mich in der Elternarbeit zu engagieren. Die Kontakte zu den Müttern in Julius' erstem Kindergarten waren sehr oberflächlich geblieben. Das lag daran, dass die eine Hälfte der Mütter dort allein erziehend, berufstätig und ständig im Stress gewesen war und die andere Hälfte kein Deutsch gesprochen hatte und/oder nicht mit Frauen ohne Kopftuch sprechen durfte. Der Kindergarten war ganz allein den Kindern vorbehalten gewesen, das Wort »Elternarbeit« war dort gänzlich unbekannt. Es hatte auch keinen Elternrat gegeben und schon gar keine Kindergartengazette. Hier war das offensichtlich anders. Hier war Engagement erwünscht, wenn nicht sogar Pflicht.
Vielleicht sollte ich auch in dieser Obermami-Society mitmischen und Artikel für die Kindergartengazette schreiben. Ich hatte sicher auch eine Menge Rezepte zu dem Kochbuch beizusteuern.
»Was macht man denn eigentlich in einer Mütter-Society?«, fragte ich.
»Wir sind ein Netzwerk von Müttern, die sich gegenseitig unterstützen«, sagte Frauke. »Kinderbetreuung, Karriereplanung, Erziehung, Frühförderung, Eheberatung, Haushalt - es ist die Summe unserer unterschiedlichen Erfahrungen, die wir zum Wohle aller Mitglieder zur Verfügung stellen. Du kannst mal auf unsere Homepage gehen, die Seiten mit den Rezepten und den Erziehungstipps und den Fachartikeln sind auch für Nicht-Mitglieder zugänglich. Wir haben wahnsinnig viele Anfragen.«
Das hörte sich ja toll an. »Wie kann man denn bei euch Mitglied werden?«, fragte ich.
Frauke runzelte die Stirn. »Du, wir haben eine ziemlich lange Warteliste. Wir haben sehr strenge Auswahlkriterien, um das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen zu erhalten. Eigentlich kann man überhaupt nur über Beziehungen Mitglied werden.«
»Nee, klar«, sagte ich verständnisvoll. Dann fiel mir ein, dass ich ja eigentlich Beziehungen hatte. Ich hatte doch mal mit dem Mann der Obermami geschlafen. Das musste doch für etwas gut gewesen sein. Ich wollte Frauke gerade erzählen, dass ich ihren Mann gut kannte, da sagte sie: »Ich kann dich aber gerne auf dieWarteliste setzen. Dann kannst du mal zu einem Probenachmittag kommen, um die anderen kennen zu lernen.«
»Das wäre toll.« Ich lächelte sie an. Frauke lächelte zurück.
Frau Siebeck kam aus dem Gruppenraum und lächelte ebenfalls. »Ihr Julius scheint ein sehr unkompliziertes Kind zu sein. Er hat bereits einen Freund und frühstückt mit ihm, als ob er schon ewig hier wäre. Sie können also beruhigt mit in mein Büro kommen. Ah, guten Tag, Frau Werner-Kröllmann.«
Wir strahlten um die Wette, nur Frauke setzte kurzzeitig wieder ihren Dolchblick auf.
»Guten Tag!«, sagte sie eisig zu Frau Siebeck und dann, verblüffend freundlich, zu mir: »Wir sprechen uns dann wegen eines Termins, ja?«
»Ja, gerne«, sagte ich. Ich fühlte mich schon richtig heimisch in der »Villa Kunterbunt«.
*
Früher hatte ich immer viel Zeit gehabt, wenn Nelly in der Schule war und Julius im Kindergarten. Die Hausarbeit erledigte ja überwiegend Frau Klapko, die Zugehfrau, die viermal in der Woche kam und alles blitzblank wienerte. Unter Frau Klapkos unermüdlichem Einsatz herrschte auch noch in der allerletzten Schublade im hintersten Winkel der Wohnung Sauberkeit und Ordnung. Julius' Playmobil war streng nach Themen sortiert, und wehe ein Indianerpferd verirrte sich mal in die Piratenbox - da verstand Frau Klapko überhaupt keinen Spaß. Auch nicht, wenn ich mich ausnahmsweise mal an der Wäsche vergriffen hatte: Keiner konnte die T-Shirts so falten wie Frau Klapko, und deshalb
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