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Die Mütter-Mafia

Titel: Die Mütter-Mafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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ist.«
    Mir wurde auf einmal klar, dass sie sich ebenso unwohl in ihrer Haut fühlte wie ich. Wahrscheinlich fürchtete sie, genau wie ich, wir könnten sie für eine Schlampe halten, in ihrem Fall, weil sie ihre Kinder unbeaufsichtigt in dieser Siedlung herumstreifen ließ.
    »Stimmt auch wieder«, sagte Mimi und goss Anne ungefragt Himbeergeist ein. Ins Wasserglas. »Wie man's macht, macht man's verkehrt.«
    »Ich habe permanent ein schlechtes Gewissen, weil ich so viel arbeite und meine Kinder ständig sich selbst überlasse«, sagte Anne nach einem großen Schluck aus dem Wasserglas. »Mein Mann ist noch viel weniger zu Hause als ich, eine liebe Oma haben wir auch nicht in der Nähe wohnen, und für eine Tagesmutter oder Kinderfrau reicht das Geld dann auch wieder nicht. Dafür kann Max mit seinen vierzehn Jahren schon eine fantastischeLasagne kochen und sich selber Entschuldigungszettel schreiben. Und wenn er mir nicht gerade Vorwürfe macht, wie wenig ich mich um ihn und seinen Bruder kümmere, findet er es ganz toll, so viele Freiheiten zu haben. Und dass wir Geld für die teuersten Markenklamotten haben, gefällt ihm natürlich auch. Wir leisten uns drei Urlaube im Jahr, in denen wir versuchen, alle Versäumnisse nachzuholen. Was meistens in einer Katastrophe endet. Dieses Jahr will Max mit der Jugendgruppe wegfahren.« Sie zündete sich eine Zigarette an. »Ich darf doch, oder ist hier gerade jemand schwanger?«
    Mimi seufzte. »Nee, leider nicht.«
    »Ich auch nicht«, sagte ich. »Wovon auch?«
    »Ich rauche sonst nie.« Anne nahm einen tiefen Zug.
    »Und wir trinken sonst nie«, sagte ich.
    »Höchstens alle paar Tage mal eine Zigarette«, sagte Anne. »Aber dieser Tag war unglaublich mies. Der schreit nach einer Zigarette. Wenn Max reinkommt, mache ich sie aus. Er regt sich immer furchtbar darüber auf wenn ich was Ungesundes mache. Gute Mütter rauchen nicht. Weil sie damit die Gesundheit ihrer Kinder gefährden und außerdem ein schlechtes Vorbild sind. Ich bin eine schlechte Mutter. Eine gute Hebamme, aber eine schlechte Mutter.«
    »Ich auch«, sagte ich. »Keine Hebamme, aber eine schlechte Mutter. Draußen ist es minus dreißig Grad, und mein Sohn ist ohne Mütze draußen.« Julius hatte so empfindliche Ohren, wie hatte ich ihn nur einfach hinauslassen können? Die letzte Mittelohrentzündung war mir noch gut im Gedächtnis. Ich wankte durch den Wintergarten nach draußen und suchte nach den Kindern.
    Sie standen alle um einen dicken Baum herum und diskutierten über Größe und Aussehen des künftigen Baumhauses. Es war entgegen meiner Annahme keineswegs frostig, eher lauwarm, irgendwo draußen in der Dunkelheit lauerte der Frühling.
    »Ich will ein Piratenschiff«, sagte Julius.
    »Und ich eine Ritterburg«, schrie Japser. »Und ich will gar keine Kinder in meinem Baumhaus«, sagte Nelly.
    »Hier gibt es so viele Bäume, dass jeder von euch ein eigenes Baumhaus bekommen kann«, sagte Max.
    »Übernimm dich nicht, Junge«, sagte ich.
    »Keine Kinder nach achtzehn Uhr!«, rief jemand mit schriller Stimme von nebenan.
    »Das sagen sie jetzt schon zum zehnten Mal«, sagte Nelly. »Immer abwechselnd. Sie müssen dort irgendwo am offenen Fenster hocken und uns mit einem Nachtsichtgerät beobachten.«
    »Schon gut«, rief ich in Richtung Hempels. »Wir gehen ja schon rein.«
    »Und wann kümmern Sie sich endlich um das Kroppzeuch?«, rief Frau Hempel zurück.
    »Bald«, rief ich. Sobald ich wusste, was das Kroppzeuch war. Zu den Kindern sagte ich: »Es gibt Sandwichs mit Putenbrust, Salat, Tomate und Ei.«
    »Ist es schon Nacht?«, fragte Julius.
    Ich wusste es nicht. »Kann sein«, sagte ich.
    »Erzählst du mir heute, wie Goldlöckchen und sein neuer Freund ein Piratenschiff gebaut haben und damit in echt segeln konnten?«
    »Ja«, sagte ich. Das würde ich noch irgendwie zusammenlallen können.
    »Darf Max mitessen?«, fragte Nelly. »Er will mir das Toten-Hosen-Album brennen.«
    War das nicht seltsam, dass unsere Kinder heute die gleiche Musik gut fanden wie wir in ihrem Alter? Das war sicher nicht normal.
     
    *
     
    Eigentlich glaubte ich nicht an Geister, jedenfalls nicht, wenn ich ich nüchtern war. Aber an diesem Abend wurden wir definitiv von einem Geist heimgesucht. Selbst Nelly gab später zu, dass das alles nicht mit rechten Dingen zugegangen war.
    Wenn es schon in diesem Haus spukte, dann hätte ich Omi Wilma höchstpersönlich erwartet oder einen düsteren Mahagoni-Geist, der um

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