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Die Mütter-Mafia

Titel: Die Mütter-Mafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Mitternacht aus seinem Versteck kam und uns mit hohlem Gelächter aus dem Haus zu vertreiben suchte. Aber es war der »Himbeergeist«, der uns an diesem Abend heimsuchte, und der hatte es wirklich in sich.
    Allerdings schien er es gar nicht schlecht mit uns zu meinen. Er hatte nur einen etwas skurrilen Sinn für Humor und unmögliche Situationen. An diesem Abend hatte er es geschafft, wildfremde Menschen um den Tisch im Esszimmer zu vereinen, Nelly, Julius, Jasper, Max, Anne, Mimi und mich, unter Omi Wilmas Mahagoni-Lampe. Und das Unheimliche war, dass ich das Gefühl hatte, wir hätten schon hundertmal so zusammengesessen, Anne, die mit Appetit in die Sandwichs biss, Mimi, die von Anne Zigaretten schnorrte, Nelly und Max, die spröde Bemerkungen über einstürzende Neubauten, Mathelehrer und Mitschüler tauschten, und Jasper und Julius, die sich einen Spaß daraus machten, die Tomatenscheiben von ihren Sandwichs zu pulen und auf meinen Teller zu schmuggeln. Wir redeten alle durcheinander, Jasper und Julius vom Kindergarten, ich von der Mercedesschrulle, Anne von einer Zwillingsgeburt mit Zange und Glocke und Mimi von der letzten Gerichtsverhandlung mit Hempels. Wir redeten und lachten und aßen und tranken, als würden wir uns schon ewig kennen. Wäre Trudi hier gewesen, hätte sie mir sicher erklärt, dass wir uns wahrscheinlich tatsächlich schon ewig kannten, nämlich aus einem früheren Leben, und dass es daher nicht weiter mystisch war, dass sofort so eine große Vertrautheit zwischen uns herrschte. Aber mir, beduselt vom Himbeergeist, erschien es mehr als mystisch. Da lebte ich erst wenige Tage von Lorenz getrennt, und schon hatte ichdas Haus voller Besuch, fremde Menschen waren meine besten Freunde, und alle Prinzipien, mein bisheriges geregeltes Leben betreffend, hatte ich völlig über den Haufen geworfen. Aber meine Kinder schienen mir den chaotischen Haushalt und die ungeregelten Essens- und Schlafzeiten gar nicht übel zu nehmen. Beide hatten rote Bäckchen und sahen glücklich aus. Vor allem für Nelly war das höchst ungewöhnlich.
    Als Julius zwei Stunden später auf meinem Schoß einschlief und Jasper den Kopf auf ein halb gegessenes Sandwich bettete, klingelte es an der Haustür. Es war Ronnie, der Mimi abholen wollte.
    »Das is' gut«, sagte Mimi. »Allein hätte ich es nämlich nich' bis nach Hause geschafft.«
    »Hast du etwa was getrunken?«, fragte Ronnie streng, »und geraucht?«
    »Nur ein bisschen.« Mimi erhob sich schwankend.
    »Sie kann nichts dafür«, sagte ich. »Hier spukt ein Himbeergeist herum. Unheimlicher Kerl, der. Aber irgendwie auch lieb.«
    »Aha«, sagte Ronnie. »Aber das weiß doch jedes Kind, dass man so einen Flaschengeist niemals aus der Flasche lassen sollte.«
    »Ich merk's mir für nächstes Mal«, sagte ich. Zwei von Omi Wilmas Flaschen waren ja immerhin noch da.
    Anne stand ebenfalls auf. »Jetzt ist es aber wirklich höchste Zeit. Wir Rabenmütter müssen unsere Kinder ins Bett bringen.«
    Nelly und Max protestierten schwach.
    »Es war doch gerade so gemütlich«, sagte Nelly.
    Anne warf sich den schlaffen Jasper über die Schulter.
    »Ach, ich wäre so gern auch eine Rabenmutter«, seufzte Mimi und torkelte. Ronnie fing sie mit beiden Armen auf.
    »Du weißt ja gar nicht, wie gut du es hast«, sagte Anne und streichelte Jasper über die Locken. »Du kannst morgen deinen Rausch ausschlafen, dann eine Aspirin nehmen und zum Friseur gehen. Ich muss morgen Früh raus, für alle Frühstück machen,Pausenbrote schmieren und die armen Kinder anschnauzen, dass sie sich gefalligst beeilen sollen. Dann habe ich den ganzen Tag ein schlechtes Gewissen, weil ich mich um hysterische Schwangere kümmere, anstatt um meine Kinder, und wenn ich nach Hause komme, wartet im Keller eine Tonne Schmutzwäsche auf mich.«
    »Kann das denn nicht auch mal dein Mann erledigen?«, fragte Mimi. »Bei uns kümmert sich Ronnie immer um die Wäsche, nicht wahr, Ronnie?«
    »Ja, weil du jedes Mal irgendwelche roten Sachen mit meinen weißen Hemden zusammen wäschst«, sagte Ronnie und küsste Mimi zärtlich auf den Scheitel. Ich sah den beiden neiderfüllt zu. So liebevoll waren Lorenz und ich niemals miteinander umgegangen, jedenfalls nicht, wenn es um die Wäsche ging.
    »Mein Mann weiß nicht mal, wie die Waschmaschine angeht«, sagte Anne. »Wie gesagt, du weißt gar nicht, wie gut du es hast.« Sie klopfte sich mit ihrer freien Hand auf den Bauch. »Seht euch mal diese Wampe an! Sogar die

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