Die Mütter-Mafia
klären.
Ulfis Frau war am Apparat. Ich kannte sie gut von diversen Abendeinladungen. Sie war eine von diesen mageren Frauen, die ständig auf Diät sind, es aber nicht zugeben wollen. Wenn sie bei uns zu Besuch gewesen war, hatte sie den ganzen Abend das Essen auf ihrem Teller von links nach rechts geschoben, meine Kochkunst aber überschwänglich gelobt. Ein paar Tage später hatte ich immer eine Dankeskarte von ihr erhalten, mit Füllfederhalter auf Büttenpapier geschrieben, von wegen, dass sie lange nicht mehr so gut gegessen habe. Dabei hatte diese Frau seit 1989 nichts mehr gegessen, da war ich mir ganz sicher. Ihre eigenen Einladungen waren stets perfekt gewesen, sie hatte zu jedem noch so nichtigen Anlass Tisch- und Menükarten drucken lassen, und ihre Blumenarrangements waren überwältigend gewesen, alles aus dem eigenen Garten.
Nachdem Lorenz unsere Trennung publik gemacht hatte, hatte Frederike mich nicht mehr eingeladen. Aber ich hatte sie einmal beim Einkaufen getroffen, und sie hatte meine Hand gedrückt und gesagt, wie schrecklich Leid ihr das alles für mich täte.
»Danke«, hatte ich gesagt und sie zum ersten Mal annähernd menschlich gefunden.
»Aber Lorenz muss nach all den Jahren auch mal an sich denken«, hatte Frederike hinzugefügt, und damit waren meine Sympathien für sie auch schon wieder verflogen gewesen.
Sie klang ein wenig gereizt, als ich jetzt anrief aber keineswegs verschlafen. Frauen wie sie schrieben bis spät in die Nacht Dankeskarten auf Büttenpapier. Vielen Dank fiir Ihre Dankeskarte anlässlich unserer Einladung vergangenen Samstag.
»Hallo Frederike, hier ist Constanze Wischnewski. Ich hätte gern deinen Mann gesprochen.«
»Es ist Viertel nach elf«, sagte Frederike.
»Danke für die Zeitansage, meine Uhr war nämlich kaputt«, sagte ich mindestens genauso kühl. »Sei so gut und hol Ulfi vom Fernseher, ja?«
Frederike schnaubte, aber ein paar Sekunden später hatte ich Ulfi am Apparat.
»Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich mich anwaltlich nicht mehr von dir vertreten lassen werde«, sagte ich.
»Constanze, das sollten wir wirklich nicht mitten in der Nacht besprechen«, sagte Ulfi, wie immer jovial. »Komm doch morgen in meine Kanzlei. Dann reden wir in aller Ruhe darüber.«
»Nein, es ist beschlossene Sache«, sagte ich. »Ich habe jetzt einen eigenen Anwalt.«
»Du musst selber wissen, wofür du Lorenz' sauer verdientes Geld zum Fenster rauswerfen willst«, sagte Ulfi.
»Eigentlich will ich am liebsten Lorenz zum Fenster rausschmeißen«, sagte ich. »Er hat eine Neue.«
»Ich verstehe, dass du sauer bist«, sagte Ulfi.
»Ich hatte es mir ja gleich gedacht«, sagte ich. »Aber er hat es die ganze Zeit bestritten, der Feigling.«
»Aber das ist doch kein Grund, sofort Rachepläne zu schmieden«, sagte Ulfi. »Ich werde deine Interessen genauso wahrnehmen wie die von Lorenz, da kannst du dir sicher sein. Keiner von uns will dich über den Tisch ziehen, wirklich nicht. Lorenz und ich, wir wollen beide nur das Beste für dich.«
»Ach ja? Und warum hast du mir nicht gesagt, dass Lorenz eine Affäre hat?«, fragte ich.
»Das ist keine Affäre«, sagte Ulfi. »Die Beziehung zwischen Paris und ihm ist durchaus ernst zu nehmen.«
Er sagte »Perris« mit gerolltem R.
»Paris? Wie Paris Hilton?«, fragte ich. »Ist sie etwa Amerikanerin?« Die Amerikaner durften ihre Kinder ja nennen, wie sie wollten, da krähte dort kein Standesbeamter nach. Geburtsort, Zeugungsort, Wallfahrtsort - die machten mit ihren Brooklyns, Parises und Lourdes doch vor nichts Halt. Wenn wir das hier zu Lande genauso halten würden, hieße Nelly heute Köln-Sülz und der arme Julius Pellworm.
»Nicht Amerikanerin, aber Model«, sagte Ulfi. Es klang respektvoll. »Und die beiden lieben sich wirklich.«
»Ach ja? Wie willst du das denn nach so kurzer Zeit schon beurteilen?«, fragte ich. Es war eine Fangfrage, aber Ulfi fiel darauf rein.
»Sieben Monate sind keine so kurze Zeit«, sagte er. »Da kann man durchaus beurteilen, ob zwei Menschen zusammenpassen oder nicht.«
Ich rechnete. Jetzt war es Mitte März, das heißt, Lorenz hinterging mich mindestens schon seit vorigem September. Mit Paris. Das war sicher ein Künstlername. Wahrscheinlich hieß die in echt Elfriede. Neulich, als wir miteinander telefoniert hatten, da hatte Lorenz also nicht auf dem Ergometer gesessen, sondern auf Elfriede. Das erklärte auch die vielen »Jas« und »Ohs« und seine anschließenden
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