Die Mumie
beiden Ägypter eilten durch die schmalen Straßen der Altstadt von Kairo, den Teppich trugen sie auf dem Rücken. Die Hitze ließ die Leiche noch schwerer erscheinen.
Aber Schweiß und Zeitaufwand lohnten sich, denn der Auftrag brachte ihnen eine Menge Geld ein. In den bevorstehenden Wintermonaten würden ganze Heerscharen von Touristen in Ägypten einfallen. Sie hatten gerade noch rechtzeitig einen guten und ansehnlichen Leichnam gefunden.
Schließlich kamen sie zu Zakis Haus, in ihrer Muttersprache auch »Fabrik« genannt. Sie traten durch das Tor ein und ha-steten mit ihrer Trophäe ins erste von zahlreichen spärlich beleuchteten Zimmern. Sie nahmen keine Notiz von den Mumien, die an den Wänden aufgestellt waren, auch nicht von den zahlreichen ledrigen Leichen auf Tischen in dem Zimmer.
Nur der Gestank der Chemikalien machte ihnen zu schaffen.
Doch sie warteten ungeduldig auf Zakis Ankunft.
»Guter Leichnam«, sagte einer der Männer zu dem Arbeiter, der mitten im Zimmer in einem riesigen Topf mit Bitumen rühr-te. Darunter brannte ein Kohlenfeuer. Das Bitumen verströmte diesen üblen Geruch.
»Gute Knochen?« fragte der Mann.
»Ja, wunderbare englische Knochen.«
Die Verkleidung war gut. Solche Beduinen strömten zu Tausenden durch Kairo. Er war so gut wie unsichtbar, das heißt, wenn er die Brille abnahm, die gelegentlich Blicke auf sich zog.
Als er jetzt den Hof des Shepheard Hotels betrat, steckte er sie in die Tasche des gestreiften Burnus. Die braunen ägyptischen Iwischen, die ein Automobil polierten, sahen nicht einmal von ihrer Arbeit auf, als er vorbeiging.
Er ging hinter den Obstbäumen an der Mauer entlang, bis er an eine schmale, unbeschriftete Tür kam. Dahinter befand sich eine Hintertreppe ohne Teppiche. Putzlappen, Besen und Eimer wurden hier aufbewahrt.
Er nahm den Besen und ging langsam die Treppe hinauf. Ihm graute vor Julies Fragen.
Sie saß auf der Bettkante und aß von dem Tablett, das er im Innenhof vor sie auf den kleinen Korbtisch gestellt hatte. Sie trug ein dünnes Leibchen, die einzige Unterwäsche, die er in Malenkas Schrank gefunden hatte. Er hatte ihr geholfen, es anzuziehen.
Malenka hatte ihm das Essen gerichtet – Obst, Brot, Käse und Wein -, aber sie ging nicht einmal in die Nähe des Zimmers.
Der Appetit der Kreatur war gewaltig und sie hatte fast barbari-sche Eßmanieren. Den Wein trank sie wie Wasser. Und obwohl sie die ganze Zeit in der Sonne geblieben war, war der Heilungsprozeß zum Stillstand gekommen, dessen war er ziemlich sicher.
Was Malenka betraf, die blieb schlotternd im Salon sitzen.
Elliott war nicht sicher, wie lange er sie noch im Zaum halten konnte.
Jetzt stahl er sich davon, um sie zu suchen. Er fand sie zusammengekauert und mit verschränkten Armen, den Kopf an die Wand gedrückt.
»Mein armer Englischmann«, sagte sie, »liegt mittlerweile in einem kochenden Kessel.«
Hatte er sie richtig verstanden?
»In was für einem Kessel?« sagte er. »Was sagen Sie da?«
»Sie machen einen großen Pharao aus meinem Englischmann. Meinem wunderschönen Englischmann. Sie legen ihn in Bitumen und machen eine Mumie aus ihm. Für die Touristen.«
Er war so schockiert, daß er ihr nicht antworten konnte. Er sah weg, und selbst die einfachsten Worte kamen ihm nicht über die Lippen.
»Mein wunderschöner Englischmann, sie wickeln ihn in Leinen, sie machen ihn zu einem König.«
Er wollte Einhalt gebieten, denn er konnte es nicht mehr mit-anhören. Aber er saß nur schweigend da, bis ihn schließlich die Klänge des Grammophons überraschten – eine verkniffene Stimme, die im Nebenzimmer englische Worte artikulierte. Die Platten, mit Hilfe derer Malenka Englisch lernte. Sie hatte sie gefunden. Er ging davon aus, daß sie sich einige Zeit damit beschäftigen würde und er Zeit zum Ausruhen hatte.
Aber da ertönte ein gewaltiges Klirren. Der Spiegel. Sie hatte ihn zerschmettert.
Er stand auf und eilte zu ihr. Sie stand auf dem Teppich, wippte hin und her. Scherben lagen auf dem Toilettentisch und auf dem Boden. Die Grammophonstimme plapperte weiter.
»Regina«, sagte er. »Bella Regina Kleopatra.«
»Lord Rutherford«, schrie sie. »Was ist mit mir geschehen!
Was ist dies für ein Ort?« Ein ganzer Schwall von Worten er-goß sich über ihn in einer fremden Sprache, dann wurden die Worte zu hysterischen Schreien, bis sie zuletzt in ein einziges lautes Schluchzen übergingen.
Zaki überwachte den Vorgang. Er sah zu, wie sie den nackten
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