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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Leichnam des Engländers in die dickflüssige grüne Flüssigkeit tauchten. Gelegentlich balsamierte er die Leichen nach alter überlieferter Prozedur selbst ein. Aber das war längst nicht mehr nötig. Die Engländer waren nicht mehr so versessen darauf, die Mumien bei ihren Parties in London auszuwickeln.
    Es reichte deshalb aus, sie gründlich mit Bitumen zu tränken und dann die Bandagen aufzutragen.
    Er näherte sich dem Kessel und betrachtete das Gesicht des Engländers, das unter der Oberfläche schwamm. Gute Knochen, das stimmte. Das hatten die Touristen gerne – wenn man ein richtiges Gesicht unter dem Leinen sah. Und der hier würde in der Tat gut aussehen.

    Ein leises Klopfen an der Tür.
    »Ich will niemanden sehen«, sagte Julie. Sie saß auf dem So-fa im Wohnzimmer ihrer Suite neben Samir, der sie in den Armen gehalten hatte, während sie weinte.
    Sie konnte nicht begreifen, was geschehen war. Es bestand kein Zweifel daran, daß Ramses im Museum gewesen, schwer verwundet worden war und dann entkommen konnte. Aber eine Putzfrau zu ermorden! Sie konnte sich nicht vorstellen, daß er so etwas tun würde.
    »Den Diebstahl der Mumie, das kann ich verstehen«, hatte sie Samir erst vor Augenblicken gesagt. »Er kannte diese Frau, er wußte, wer sie war. Er konnte es nicht mehr ertragen, ihren Leichnam so entweiht zu sehen, darum hat er sie mitgenommen.«
    »Aber die Fakten passen nicht zusammen«, sagte Samir.
    »Wenn er festgenommen wurde, wer hat dann die Mumie gestohlen?« Er wartete, während Rita zur Tür ging.
    Julie drehte sich um und sah einen großen Araber in wallendem Burnus draußen stehen. Sie wollte sich gerade abwenden, als sie die leuchtend blauen Augen erkannte.
    Es war Ramses. Er drängte sich an Rita vorbei und schloß die Tür. Sie flog ihm unverzüglich in die Arme.
    Sie wußte nicht mehr, welche Zweifel sie gehabt hatte – oder welche Ängste. Sie hielt ihn fest und drückte ihn. Sie spürte, wie seine Lippen über ihre Stirn glitten und seine Arme sie umfingen. Er küßte sie fest und doch zärtlich auf den Mund.
    Sie hörte Samirs drängendes Flüstern. »Sire, Sie sind in Gefahr. Man sucht überall nach Ihnen.«
    Aber sie konnte ihn nicht loslassen. In dem prunkvollen Gewand sah er mehr als überirdisch aus. Die reine, kostbare Liebe, die sie für ihn empfand, hatte den Punkt erreicht, an dem sie schmerzte.
    »Weißt du, was passiert ist?« flüsterte sie. »Eine Frau im Museum ist ermordet worden, und man beschuldigt dich des Verbrechens.«
    »Ich weiß, meine Teuerste«, sagte er leise. »Ich habe diesen Tod zu verantworten. Und Schlimmeres noch als das.«
    Sie sah ihn an und versuchte, seine Worte zu verstehen. Dann flossen die Tränen wieder, und sie bedeckte das Gesicht mit den Händen.

    Sie saß auf dem Bett und sah ihn etwas dümmlich an. Begriff sie, daß das Kleid ein teures Kleid war? Sie sprach die Worte des Grammophons in perfektem Englisch nach. »Ich möchte gerne etwas Zucker in meinem Kaffee. Ich hätte gerne etwas Zitrone in meinem Tee.« Dann verstummte sie wieder.
    Sie ließ ihn die Perlmuttknöpfe zuknöpfen. Sie sah ihn erstaunt an, als er die Schärpe des rosafarbenen Rockes zu-band. Sie stieß ein böses kleines Lachen aus und hob das Bein unter dem schweren Rocksaum.
    »Hübsch, hübsch«, sagte sie. Das hatte er ihr auf Englisch beigebracht. »Hübsches Kleid.«
    Plötzlich drängte sie sich an ihm vorbei, hob eine Zeitschrift vom Toilettentisch auf und betrachtete die darin abgebildeten Frauen. Dann fragte sie wieder auf lateinisch: Was ist dies für ein Ort?
    »Ägypten«, sagte er ihr. Er hatte es ihr immer wieder gesagt.
    Zuerst kam der leere Gesichtsausdruck, dann der gequälte.
    Schüchtern hob er die Bürste und senkte sie auf ihr Haar.
    Herrliches, schönes Haar. Schwarz, mit einem leichten Blau-stich. Sie seufzte und hob die Schultern. Es gefiel ihr, wenn er es bürstete. Ein leises Lachen kam über ihre Lippen.
    »Sehr gut, Lord Rutherford«, sagte sie auf englisch. Sie krümmte den Rücken und bewegte träge die Glieder, wie eine Katze, die sich streckt, die Hände anmutig.
    »Bella Regina Kleopatra«, seufzte er. Konnte er sie nun guten Gewissens alleine lassen? Konnte er es ihr begreiflich machen? Vielleicht wenn Malenka auf der Straße vor der verrie-gelten Tür Wache stand, bis er wiederkam.
    »Ich muß jetzt gehen, Eure Majestät. Ich muß noch mehr von der Medizin holen.«
    Sie drehte sich um und sah ihn verständnislos an. Sie hatte keine

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