Die Mumie
Brust waren schlimm, aber daran starb er nicht. Er saß zusammengesunken auf einem kleinen Holzstuhl neben dem Bett. Er brauchte einen Drink aus der Flasche im Nebenzimmer, aber er hatte keine Kraft mehr, ihn sich zu holen. Er konnte nur noch langsam das Hemd zuknöpfen.
Er drehte sich um und sah sie wieder an, ihr glattes Gesicht, das im Schlaf wächsern wirkte. Aber jetzt hatte sie die Augen offen. Sie richtete sich auf und streckte ihm die Glasphiole hin.
»Medizin«, sagte er.
»Ja, ich werde sie holen. Aber du mußt hier bleiben. Verstehst du?« Er erklärte es ihr zuerst auf lateinisch. »Du bist hier sicher. Du mußt in diesem Haus bleiben.«
Es schien, als wollte sie das nicht.
»Wohin wirst du gehen?« fragte sie. Sie sah sich um, sah zum Fenster neben dem Bett und zu der dahinterliegenden weißge-tünchten Wand. Das Sonnenlicht des Nachmittags fiel in schrägen Strahlen durch das Fenster. »Ägypten. Ich glaube nicht, daß dies Ägypten ist.«
»Doch, doch, meine Liebe. Und ich muß versuchen, Ramses zu finden.«
Wieder das Funkeln, dann die Verwirrung, und plötzlich die Panik.
Er stand auf, er durfte nicht länger zögern. Er konnte nur hoffen und beten, daß Ramses seinen Häschern irgendwie entkommen war. Sicher hatten Julie und Alex die richtigen Anwälte beauftragt. Jetzt mußte er versuchen, ins Hotel zu gelangen.
»Es dauert nicht sehr lange, Eure Majestät«, sagte er zu ihr.
»Ich werde so schnell ich kann mit der Medizin zurückkehren.«
Sie schien ihm nicht zu trauen. Als er aus dem Zimmer ging, sah sie ihm argwöhnisch nach.
Malenka saß immer noch zusammengekauert in der Ecke im Wohnzimmer. Sie zitterte und sah ihn mit leeren stumpfen Augen an.
»Meine Güte, hören Sie zu«, sagte er. Er sah seinen Gehstock am Barschrank und holte ihn. »Ich möchte, daß Sie mit mir hinausgehen, die Tür abschließen und Wache stehen.«
Hatte das Mädchen verstanden? Sie starrte an ihm vorbei. Er drehte sich um und erblickte Kleopatra in der Tür, barfuß, mit wallendem Haar, die in dem englischen rosa Spitzenkleid aussah wie eine Wilde. Sie sah Malenka an.
Das Mädchen schrak wimmernd zurück. Ihre Abscheu und Angst waren überdeutlich.
»Nein, nein, Liebste, kommen Sie mit mir«, sagte Elliott. »Haben Sie keine Angst, sie wird Ihnen nichts tun.«
Malenka hatte solche Angst, daß sie weder zuhörte noch gehorchte. Ihre erbärmlichen Schreie wurden lauter. Kleopatras ausdrucksloses Gesicht verzerrte sich vor Wut.
Sie ging auf die hilflose Frau zu, die die Knochen an Händen und Füßen anstarrte.
»Sie ist nur eine Dienerin«, sagte der Earl und griff nach Kleopatras Arm. Sie drehte sich um und stieß ihn so fest, daß er rückwärts gegen den Papageienkäfig stürzte. Als Malenka hysterisch zu schreien anfing, begann der Papagei zu kreischen und wie wild mit den Flügeln zu schlagen.
Elliott versuchte sich aufzurichten. Das Mädchen mußte aufhö-
ren zu schreien. Dies war eine Katastrophe. Kleopatra, die von dem kreischenden Mädchen zu dem kreischenden Papagei sah, schien selbst am Rand der Hysterie zu sein. Dann warf sie sich auf die Frau, packte sie am Hals und zwang sie auf die Knie, wie sie es erst vor Stunden mit Henry gemacht hatte.
»Nein, aufhören.« Elliott warf sich auf sie. Dieses Mal durfte er es nicht zulassen. Aber schon spürte er wieder einen kräftigen Schlag, der ihn quer durch das Zimmer schleuderte. Er prallte gegen die Wand und schürfte sich an dem rauhen Verputz die Hand auf. Dann hörte er das Geräusch, das unaussprechliche Geräusch. Das Mädchen war tot. Kleopatra hatte ihr das Genick gebrochen.
Der Vogel hatte zu kreischen aufgehört. Er starrte mit einem runden, leeren Auge ins Zimmer. Malenka lag auf dem Rükken, ihr Kopf verdreht, die braunen Augen halb offen.
Kleopatra starrte auf sie hinab. Mit nachdenklichem Blick sagte sie auf lateinisch:
»Sie ist tot.«
Elliott antwortete nicht. Er umklammerte die Kante des Mar-morschränkchens und zog sich hoch. Das Pochen in seiner Brust bedeutete nichts. Nichts konnte der Qual in seiner Seele gleichkommen.
»Warum hast du das getan!« flüsterte er. Aber war es nicht verrückt, einem solchen Wesen eine solche Frage zu stellen?
Diesem Ding, dessen Geist zweifellos Schaden genommen hatte, so wie der Körper Schaden genommen hatte, mochte er auch noch so schön aussehen. Fast unschuldig sah sie Elliott an. Dann betrachtete sie wieder die tote Frau.
»Sag mir, Lord Rutherford, wie bin ich
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