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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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und zu. Er erzählte ihr freiwillig alles über die Mumie von Ramses dem Verdammten und davon, daß Julie Stratford eine moderne Frau war. Er erzählte ihr, wie Britannien sein großes Weltreich verwaltete, und so weiter.
    Daß er Julie Stratford geliebt hatte, war offensichtlich. Ramsey hatte sie ihm »gestohlen«, aber auch das spielte keine Rolle.
    Was er für Liebe gehalten hatte, war keine Liebe, sondern etwas Blasses, etwas Bequemes, und alles in allem etwas zu Einfaches gewesen. Aber wollte sie wirklich etwas über seine Familie erfahren? Nein, erzähl lieber von der Geschichte, von Kairo und Ägypten und von der Welt…
    Es war eine gewaltige Aufgabe gewesen, ihn daran zu hindern, seinen Vater anzurufen. Er fühlte sich schuldig. Aber sie hatte ihre ganze Überredungskunst und ihre sämtlichen Verführungskünste eingesetzt. Er brauchte keine frische Kleidung.
    Sein Hemd und das Jackett sahen so gut aus wie gestern abend.
    Und so schritten sie durch die überfüllte Halle des Shepheard Hotels, um in seinem Rolls-Royce zu den Mameluckengräbern zu fahren und um die »Geschichte« zu sehen, nach der sie gefragt hatte. Immer mehr Mosaiksteinchen fügten sich ein.
    Aber er wies mehr als einmal darauf hin, wie sehr sie sich im Vergleich zu gestern abend verändert hatte, als sie fast verspielt gewirkt hatte. Und das machte ihr ein wenig Angst. Wie stark ihre Zuneigung zu ihm war.
    »Und gefällt dir das?« fragte sie, während sie zu den Eingangstüren gingen.
    Er hielt inne. Es war, als sähe er sie zum ersten Mal. Es war so einfach, ihn anzulächeln. Er hatte das zärtlichste Lächeln verdient. »Du bist das reizendste, liebenswürdigste Geschöpf, das jemals in mein Leben getreten ist«, sagte er. »Ich wünschte, ich könnte in Worte fassen, was du in mir auslöst. Du bist…«
    Sie standen zwischen all den vielen Menschen in der Halle und versanken in den Augen des anderen.
    »Wie ein Geist?« schlug sie vor. »Ein Reisender aus einer anderen Zeit?«
    »Nein, dafür bist du viel… viel zu echt!« Er lachte leise. »Du bist so lebendig und warm!«
    Gemeinsam gingen sie über die Veranda. Sein Automobil wartete, ganz wie er gesagt hatte. Eine lange schwarze Limousi-ne, hatte er es genannt, mit weichen Samtsitzen und einem Dach. Dennoch spürten sie den Wind durch die Fenster.
    »Warte bitte, ich möchte noch eine Nachricht für meinen Vater hinterlassen. Ich möchte ihm sagen, daß wir ihn heute abend sehen.«
    »Das kann ich für Sie erledigen, Mylord«, sagte der Bursche, der ihnen die Tür aufhielt.
    »Danke, das ist wirklich sehr freundlich«, sagte Alex höflich –
    dieselbe Großzügigkeit gegenüber den nichtswürdigsten Untertanen. Als er dem Mann ein kleines Trinkgeld gab, sah er ihm direkt in die Augen. »Bitte richten Sie ihm aus, wir sehen uns in der Oper. Danke.«
    Sie bewunderte die Anmut, mit der er die kleinsten Kleinigkeiten erledigte. Sie nahm seinen Arm, als sie die Treppe hinuntergingen.
    »Und erzähl mir«, sagte sie, während er ihr auf den Sitz half,
    »von dieser Julie Stratford. Was ist eine moderne Frau?«

    Ramsey machte seinem Ärger immer noch Luft, als das Auto in die Einfahrt des Shepheard einbog.
    »Wir werden alles tun, was sich gehört«, sagte Elliott. »Sie haben die ganze Ewigkeit, nach Ihrer verschollenen Königin zu suchen.«
    »Aber eines verwirrt mich doch«, beharrte Ramsey. Er stieß die Tür achtlos auf und hätte fast die Tür aus den Angeln gehoben. »Wenn Julies Cousin wegen eines Schwerverbrechens gesucht wird, wie kann sie dann auf einem Ball tanzen, als wäre gar nichts geschehen?«
    »Nach englischem Recht, mein Freund, ist ein Mensch solange unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist«, erklärte Elliott, der sich auf Ramseys Hand stützte. »Und in der Öffentlichkeit werden wir so tun, als wäre Henry unschuldig. Wir wissen nichts von diesen Scheußlichkeiten, und als treue Untertanen der Krone sind wir unserer Pflicht nachgekommen.«
    »Ja, Sie hätten Ratgeber eines Königs sein sollen«, sagte Ramsey.
    »Großer Gott, sehen Sie sich das an.«

    »Was?«
    »Mein Sohn fährt mit einer Frau weg. Ausgerechnet in so einem Augenblick.«
    »Aber vielleicht tut er genau das, was man von ihm erwartet!«
    sagte Ramsey verächtlich und ging voraus die Treppe hinaus.
    »Lord Rutherford, bitte entschuldigen Sie – Ihr Sohn läßt Ihnen ausrichten, daß er Sie heute abend in der Oper trifft.«
    »Danke«, sagte Elliott mit einem kurzen, ironischen Lachen.

    Elliott

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