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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Pfirsich, mit großen Schlafzimmeraugen und silberblondem Haar. Ihre Stimme war nichts Besonderes, das wußte sie, aber das Publikum mochte sie. Mochte sie wirklich.
    Und sie mochte Henry Stratford, jedenfalls redete sie sich das ein. Er war sicher das Beste, was ihr je widerfahren war. Er hatte ihr den Job unten verschafft, obwohl sie nie genau he-rausbekommen hatte, wie, und er bezahlte die Wohnung –
    sollte er jedenfalls. Sie wußte, er war mit der Miete im Rück-stand, aber schließlich war er gerade eben erst aus Ägypten zurückgekommen. Er würde alles regeln oder alle zum Schweigen bringen, die Fragen stellten. Das konnte er sehr gut.
    Sie lief zum Spiegel, als sie seine Schritte auf der Treppe hör-te. Sie zog den Federkragen ihres Hausmantels herunter und rückte die Perlen um ihren Hals zurecht. Sie kniff sich in die Wangen, um ein Erröten vorzutäuschen, als er gerade den Schlüssel im Schloß herumdrehte.
    »Sieh an, ich hatte dich schon abgeschrieben, wirklich!« rief sie, als er das Zimmer betrat. Aber dieser Anblick! Der ließ sie nie ungerührt. Er sah so gut aus mit dem dunkelbraunen Haar und diesen Augen; und wie er sich gebärdete, so durch und durch ein Gentleman. Sie sah ihm bewundernd zu, als er jetzt den Mantel auszog und ihn achtlos über den Stuhl warf und sie dann in seine Arme winkte. Er war so lässig und so von sich überzeugt! Aber warum auch nicht?
    »Und mein Auto? Du hast mir ein eigenes Auto versprochen, bevor du weggegangen bist. Wo ist es! Das da unten war es nicht! Das war ein Taxi!«
    Sein Lächeln hatte etwas so Kaltes. Als er sie küßte, taten ihr seine Lippen ein bißchen weh, und seine Finger gruben sich in ihre weichen Oberarme. Sie spürte, wie es sie kalt überlief und ihr Mund kribbelte. Sie küßte ihn noch einmal, und als er sie ins Schlafzimmer führte, sagte sie kein Wort.
    »Ich bringe dir dein Auto«, flüsterte er ihr ins Ohr, als er ihren Hausmantel herunterriß und sie an sich drückte, so daß ihre Brustwarzen gegen das kratzige, gestärkte Hemd gepreßt wurden. Sie küßte seine Wange, dann sein Kinn, dann leckte sie die winzigen Bartstoppeln. Es war schön, ihn so atmen zu hören, seine Hände auf den Schultern zu spüren.
    »Nicht zu grob, Sir«, flüsterte sie.
    »Warum nicht?«
    Das Telefon läutete. Sie hätte es aus der Wand reißen können.
    Sie knöpfte ihm das Hemd auf, während er abnahm.
    »Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen nicht mehr anrufen, Sharples.«
    Oh, dieser verfluchte Hurensohn, dachte sie kläglich. Sie wünschte, er wäre tot. Sie hätte für Sharples gearbeitet, bevor Henry Stratford sie gerettet hatte. Und Sharples war ein gemeiner Kerl, schlicht und einfach. Er hatte ihr sein Zeichen aufgedrückt, einen kleinen Halbmond am Nackenansatz.

    »Ich habe Ihnen gesagt, ich bezahle, sobald ich zurück bin, oder nicht? Ich schlage vor, Sie lassen mir wenigstens Zeit, bis ich meinen Koffer ausgepackt habe!« Er knallte den Hörer auf die Gabel. Sie schob das Telefon auf dem Marmortisch außer Reichweite.
    »Komm her, Geliebter«, sagte sie und setzte sich auf das Bett.
    Aber ihr Blick trübte sich, als sie sah, wie er das Telefon betrachtete. Er war also immer noch pleite. Ja, total pleite.

    Seltsam. Es hatte keine Totenwache für ihren Vater in diesem Haus stattgefunden. Und jetzt wurde, der bemalte Sarkophag von Ramses dem Großen vorsichtig durch das Doppelzimmer des Salons getragen, und weiter in die Bibliothek, die ihr Vater immer das Ägyptische Zimmer genannt hatte. Eine Totenwache für die Mumie, und der Hauptleidtragende war nicht dabei.
    Julie sah zu, wie Samir den Männern vom Museum Anweisung gab, den Sarg behutsam in der Südostecke abzustellen, links von der offenen Tür zum Wintergarten. Genau die richtige Stelle. Jeder, der das Haus betrat, würde ihn sofort sehen.
    Vom Salon hatte man ebenfalls einen ausgezeichneten Blick darauf. Alle, die kamen, ihr die Ehrerbietung zu erweisen, würden die Mumie im Auge behalten können, selbst wenn der Deckel des Sargs abgenommen wurde.
    Die Schriftrollen und Alabastergläser sollten auf dem langen Marmortisch unter dem Spiegel links von dem aufrechten Sarg an der Ostwand aufgestellt werden. Die Büste von Kleopatra wurde bereits auf eine Säule mitten im Zimmer gestellt. Die Goldmünzen sollten in einen speziellen Schaukasten neben dem Marmortisch kommen. Die anderen diversen Funde konnten dann jederzeit so arrangiert werden, wie es Samir gefiel.
    Weiches Nachmittagssonnenlicht fiel

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