Die Mumie
Wille.
Aber dann war da ein Begreifen, und es war wie die Sonne, wie die warme Sonne.
So heftig zu lieben und zu hassen, das war der Sinn des Lebens. Und sie besaß das Leben wieder, mit alle seinen Freuden und seinem ganzen Leid.
Der letzte Akt ging zu Ende. Elliott sah gelangweilt auf die wunderschöne Bühne, auf die dem Untergang geweihten Liebenden, die in ihrem Grab erstickten und auf Prinzessin Am-neris, die oben betete.
Gott sei Dank, daß es fast vorbei war! Unter diesen Umständen schien selbst der begnadete Verdi lächerlich. Was den Ball betraf, so würden sie sich höchstens eine oder zwei Minuten dort sehen lassen und Julie dann auf ihr Zimmer bringen.
Julie war am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Sie saß stumm in der Loge hinter ihm, zitterte und klammerte sich an Ramses.
Sie hatte darauf bestanden, daß Ramses nicht von ihrer Seite wich, daher hatten er und Samir in den Pausen nach Kleopatra gesucht. Sie waren die Treppen hinauf und hinunter gegangen und hatten nach der Frau gesucht, die nur Elliott sicher erkennen, die Samir aber an ihrem wallenden Haar und dem silbernen Kleid identifizieren konnte.
Sie war nirgendwo zu finden. Aber das überraschte sie nicht.
Nach dem kurzen Angriff hatte sie das Opernhaus möglicherweise verlassen. Überraschend war, daß sie Julie kannte! Wie hatte sie Julie hier gefunden!
Ein weiterer irritierender Aspekt war, daß sie auch Alex nicht gefunden hatten! Aber vielleicht war das ja ein Segen. Alex blieb auf wundersame Weise unberührt von allen Geschehnis-sen. Vielleicht konnte er ohne weitere Erklärungen nach Hause verfrachtet werden, obwohl das fast zuviel verlangt war.
Elliott hatte nun keine Zweifel mehr, daß Julie morgen zusammen mit Alex im Nachmittagszug sitzen würde. Er selbst wür-de in Kairo bleiben, bis die ganze Sache ausgestanden war.
Samir würde mit Julie nach London zurückkehren, das war bereits beschlossen worden. Alex konnte sie jetzt nicht beschützen oder trösten, da er nicht wußte, was hier geschah, und es auch nie erfahren durfte.
Samir würde bis zu Ramses’ Rückkehr bei Julie in Mayfair bleiben. Was und wem Elliott hier nützen konnte, war nicht sicher. Aber er würde bleiben. Er mußte. Und Julie mußte weit, weit weggebracht werden.
Das letzte herzzerreißende Duett der Oper hatte seinen Höhe-punkt erreicht. Er würde es nicht mehr lange ertragen können.
Er hob das Opernglas und suchte den Saal ab. Alex, zum Teufel, wo bist du! Langsam ließ er das Glas über die linke Seite gleiten, dann wandte er sich nach rechts.
Graue Köpfe, funkelnde Diamanten, halb schlafende Männer, offene Münder unter weißen Schnurrbärten. Und eine atemberaubend schöne Frau mit wallenden schwarzen Locken, die langsam dahinschritt und dabei die Hand von Alex hielt.
Er erstarrte.
Er drehte das kleine Rädchen an dem Glas und holte das Bild noch näher. Die Frau hatte links von Alex Platz genommen, aber er konnte beide deutlich sehen! Bloß jetzt keinen Herzanfall haben, Elliott, nicht nach allem, was du durchgemacht hast! Alex beugte sich hinüber und küßte die Frau auf die Wange, während diese zur Bühne sah – auf das Grab und die todgeweihten Liebenden – und sich dann zu Alex umdrehte, ihn mit steinerweichendem Blick ansah und an seine Schulter lehnte.
»Ramsey«, flüsterte er. Irgend jemand machte pssst. Aber Ramsey hatte ihn gehört, kam durch den Vorhang und kniete an seiner Seite nieder.
»Da, sehen Sie! Bei Alex. Sie ist es.« Das Flüstern war ein Stöhnen. Er drückte Ramsey das Opernglas in die Hand und sah zu den beiden fernen Gestalten. Er brauchte das Opernglas nicht, um zu sehen, daß Kleopatra ihr eigenes hochgeho-ben hatte und zu ihnen herübersah!
Er hörte Ramseys leises Stöhnen.
Alex hatte sich umgedreht. Alex machte eine knappe, fröhliche Geste zu ihnen, ein diskretes, kurzes Winken mit der linken Hand.
Die letzten Töne des Duetts waren zu hören. Der Beifall wollte kein Ende nehmen. Die unvermeidlichen »Bravos!« ertönten aus allen Richtungen. Die Saallichter gingen an. Die Menschen standen auf.
Julie und Samir standen in der offenen Tür.
»Was ist los?« verlangte Julie zu wissen.
»Sie gehen. Ich folge ihnen!« sagte Ramses.
»Nein!« schrie Julie.
»Julie, sie ist mit Alex Savarell zusammen«, sagte Ramsey.
»Sie hat den Sohn des Earl verführt. Ihr beiden bleibt bei Julie.
Bringt Julie ins Hotel zurück.«
Er wußte, er kam zu spät in die Loge. Sie waren fort. Es gab mindestens
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