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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Zukunft geschehen würden.
    Aber das Schlimmste war, daß Ramses ihre Hand hielt und ihr sagte, daß er es nicht ertragen konnte, sie zu verlieren.
    Und sie war damit herausgeplatzt: »Ich wünschte, ich hätte dich nie zu Gesicht bekommen. Ich wünschte, du hättest Henry sein Vorhaben ausführen lassen.«
    War das ihr Ernst gewesen? Ihr Handgelenk hatte weh getan, als er sie festgehalten hatte. Es tat ihr jetzt noch weh, während sie leise in dem stillen Raum weinte, wo auch das leiseste Geräusch an den gekachelten Wänden widerhallte.
    »Julie«, hatte er gesagt, »ich habe etwas Schreckliches getan, ja, ich weiß. Aber ich spreche jetzt von dir und mir. Du bist am Leben, du bist heil und wunderschön, Körper und Seele vereint…«
    »Nein, sag es nicht«, hatte sie gefleht.
    »Nimm das Elixier und komm für immer mit mir.«
    Sie hatte nicht dort bleiben können. Sie war weggegangen und geflohen. Und nun weinte sie allein in diesem Raum. Sie versuchte, ihre Seele zu beschwichtigen. Sie versuchte nachzudenken, aber sie konnte nicht. Sie sagte sich, daß ihr all das in vielen Jahren wie ein dunkles Abenteuer erscheinen würde, das sie nur denen erzählen würde, die sie wirklich von Herzen liebte. Sie würde von dem geheimnisvollen Mann erzählen, der in ihr Leben getreten war… aber der Gedanke war unerträglich.
    Als die Tür aufging, bedeckte sie das Gesicht mit dem Taschentuch, hielt den Kopf gesenkt und versuchte ruhig zu sein, ruhig zu atmen.

    Wie gräßlich, so gesehen zu werden, wo sie nur alleinsein und ins Hotel zurückkehren wollte. Und diese andere Frau, die hereingekommen war, warum um alles in der Welt kam sie ihr so nahe und setzte sich direkt neben sie? Sie drehte den Kopf auf die andere Seite. Sie mußte sich zusammennehmen. Diesen Abend irgendwie für Elliott überstehen, auch wenn sie den Glauben an den Sinn ihres vorgeblichen Tuns verloren hatte.
    Sie legte das Taschentuch zusammen, den kläglichen kleinen Fetzen aus Spitzen und Leinen, der jetzt tränendurchtränkt war, und tupfte die Augen ab.
    Fast zufällig sah sie dabei in den Spiegel. Verlor sie den Verstand! Die Frau direkt neben ihr sah sie mit großen, leuchtend blauen Augen an. Herrje, die Frau war ganz dicht an sie he-rangekommen, und was für eine Frau, mit einer schwarzen Lockenpracht, die ihr über die bloßen Schultern auf den Rükken fiel.
    Sie wandte sich um, um die Frau anzusehen. Dabei lehnte sie sich soweit sie konnte auf dem Hocker zurück und stützte sich mit der Hand auf den Toilettentisch.
    »Großer Gott!« Sie zitterte so heftig, daß sie ihre Hand nicht mehr ruhig halten konnte.
    »Oh, Sie sind reizend, wirklich«, sagte die Frau mit leiser Stimme und mit perfektem britischen Akzent. »Aber er hat Ihnen sein kostbares Elixier nicht gegeben. Sie sind sterblich.
    Daran kann kein Zweifel bestehen.«
    »Wer sind Sie!« keuchte sie. Aber sie wußte es.
    »Hast du einen anderen Namen dafür?« fragte die Frau, die jetzt noch näher kam, bis ihr starkes, wunderschön geschnittenes Gesicht über ihr aufragte. Ihr lockiges schwarzes Haar schien das Licht in dem Raum zu verschlucken. »Warum hat er mich aus meinem Schlaf gerissen und das Zaubermittel nicht Ihnen gegeben?«
    »Lassen Sie mich in Ruhe!« flüsterte Julie. Ein heftiger Schauder überfiel sie. Sie wollte aufstehen, aber die Frau hatte sie in die Enge gedrängt. Sie schrie fast in ihrer Panik.
    »Aber am Leben sind Sie dennoch«, flüsterte die Frau. »Jung, zerbrechlich, wie eine Blume, so leicht zu pflücken.«
    Julie ließ sich gegen die Spiegelwand zurücksinken. Konnte sie die Frau mit einem Schubs aus dem Gleichgewicht bringen? Es schien unmöglich. Wieder spürte sie, wie damals, als Ramses aus dem Sarg gestiegen war, daß sie ohnmächtig werden würde.
    »Es scheint schrecklich, nicht wahr?« fuhr die Frau mit demselben reinen britischen Akzent fort. »Daß ich diese Blume pflücke, weil der sterben mußte, den ich geliebt habe. Was haben Sie mit dem Verlust zu tun, den ich vor so langer Zeit erlitten habe? Julie Stratford für Antonius. Es scheint un-gerecht.«
    »Gott steh mir bei!« stöhnte Julie. »Gott stehe uns beiden bei, Ihnen und mir. Oh, bitte, lassen Sie mich gehen.«
    Die Hände der Frau streckten sich ihr entgegen und packten sie am Hals. Sie konnte es nicht aufhalten, die Finger nahmen ihr die Luft zum Atmen. Ihr Kopf schlug gegen den Spiegel, einmal, zweimal. Sie verlor das Bewußtsein.
    »Warum sollte ich Sie nicht töten! Sagen Sie mir

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