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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Gesicht des Mannes.
    »Gehen Sie mir aus dem Weg«, sagte er.
    »Wieder eine Pechsträhne, Sir?« Sharples hielt neben ihm Schritt. »Und die kleine Lady kostet Geld. Sie war schon immer teuer, Sir, auch als sie noch für mich gearbeitet hat. Und ich bin ein großzügiger Mann, das wissen Sie.«
    »Lassen Sie mich in Ruhe, Sie verfluchter Narr.« Er schritt schneller aus. Die Straßenlampe vor ihnen brannte nicht. Und um diese Zeit würde er kein Taxi bekommen.
    »Nicht ohne eine kleine Anzahlung auf die Schulden, Sir.«
    Henry blieb stehen. Die Kleopatra-Münze. Würde der Dummkopf begreifen, was sie wert war? Plötzlich spürte er, wie sich die Finger des Mannes in seinen Arm gruben.
    »Wagen Sie es!« Er riß sich los. Dann holte er langsam die Münze aus der Manteltasche, hielt sie ihm im spärlichen Licht hin und zog eine Braue hoch, als er den Mann ansah, der sie ihm unverzüglich aus der Hand riß.
    »Ah, das ist aber eine Schönheit, Sir. Eine echte ar… kä… o…
    logische Schönheit!« Er drehte die Münze um, als würden ihm die Inschriften tatsächlich etwas sagen. »Die haben Sie geklaut, Sir, hab ich recht? Aus dem Schatz Ihres Onkels, oder nicht?«
    »Nehmen Sie sie, oder lassen Sie es.«
    Sharples ballte die Hand um die Münze zur Faust.
    »Sie sind wirklich eiskalt, Sir, oder?« Er ließ die Münze in der Tasche verschwinden. »Lag er noch da und hat nach Luft gerungen, Sir, als Sie sie geklaut haben? Oder haben Sie gewartet, bis er seinen letzten Atemzug getan hatte?«
    »Scheren Sie sich zum Teufel.«
    »Dies deckt nicht alles ab, Sir. Nein, Sir, bei weitem nicht, Sir.
    Nicht das, was Sie mir und den Herren bei Flint’s schulden.«

    Henry machte auf dem Absatz kehrt. Er rückte den Zylinder im steifen Wind etwas zurecht und ging dann rasch auf die Ecke zu. Er konnte Sharples’ Absätze auf dem Pflaster hinter sich schaben hören. Niemand war vor ihnen in der nebligen Dunkelheit, niemand hinter ihnen, und der schmale Lichtstreifen, der aus der Tür von Flint’s gedrungen war, war auch nicht mehr zu sehen.
    Er konnte hören, wie Sharples aufholte. Und er griff in die Manteltasche. Sein Messer. Langsam zog er es heraus, klappte die Klinge aus und hielt den Griff fest umklammert.
    Plötzlich spürte er den Druck von Sharples im Rücken.
    »Mir scheint, Sie brauchen eine kleine Lektion, wie man seine Schulden zurückzahlt, Sir«, sagte der Dreckskerl zu ihm.
    Sharples legte ihm eine Hand auf die Schulter. Jetzt drehte sich Henry hastig um, rammte das Knie gegen Sharples und brachte ihn damit aus dem Gleichgewicht. Henry zielte auf die glänzende Seide der Weste, wo das Messer zwischen die Rippen ohne Hindernis eindringen konnte. Und zu seinem Erstaunen spürte er, wie es in die Brust des Mannes eindrang; er sah das Weiß von Sharples’ Zähnen, als dieser den Mund zu einem tonlosen Schrei auftat.
    »Verdammter Narr! Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen mich in Ruhe lassen!« Er zog das Messer heraus und stach noch einmal zu. Dieses Mal hörte er Seide reißen und trat, am ganzen Körper schlotternd, zurück.
    Der andere wankte ein paar Schritte. Dann fiel er auf die Knie.
    Sanft kippte er nach vorne, krümmte die Schultern, sank langsam auf eine Seite und sackte dann auf dem Pflaster zusammen.
    Henry konnte sein Gesicht in der Dunkelheit nicht sehen. Er sah nur die Gestalt, die jetzt reglos dalag. Die bittere Kälte der Nacht lahmte ihn. Das Herz pochte ihm so heftig in den Ohren wie in der Kammer in Ägypten, als er auf den toten Lawrence hinuntergesehen hatte.
    Der Teufel soll ihn holen! Er hätte das nicht mit mir machen dürfen! Wut würgte ihn. Er konnte die rechte Hand nicht bewegen, so kalt war sie trotz des Handschuhs, der um das Messer gekrallt war. Er hob behutsam die linke Hand, klappte das Messer zu und steckte es weg.
    Er sah sich um. Dunkelheit, Stille. Nur das ferne Dröhnen eines Motorwagens auf einer abgelegenen Straße. Irgendwo tröpfelte Wasser wie aus einer kaputten Regenrinne. Und der Himmel über ihm wurde einen Hauch heller – hatte jetzt die Farbe von Schiefer.
    Er kniete in der weichenden Dunkelheit nieder. Er griff wieder nach der glänzenden Seide, achtete aber darauf, daß er den dunklen, feuchten Fleck nicht berührte, der sich dort ausbreitete, und schob die Hand unter den Mantelkragen. Die Brieftasche des Mannes. Prall, voll mit Geld!
    Er untersuchte den Inhalt nicht einmal. Statt dessen steckte er sie in dieselbe Tasche wie das Messer. Dann drehte er sich um,

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