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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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schienen verwirrt.
    Henry schien wütend. Er sah sie an, als wollte er sie mit den bloßen Händen erwürgen. Und sie erwiderte seinen Blick und dachte kalt: Du hast meinen Vater ermordet. Du hättest mich ermordet.
    Wir wissen nicht, was wir in solchen Augenblicken empfinden sollen. Wir können es nicht wissen, dachte sie. Ich weiß nur, daß ich dich hasse, und ich habe in meinem ganzen Leben noch niemanden gehaßt.
    »Der Sarg der Mumie!« brach es plötzlich aus Henry heraus.
    Er hielt sich an der Tür fest, als wagte er nicht, das Zimmer zu betreten. »Ich verlange, daß der Sarg unverzüglich geöffnet wird.«
    »Du stellst unsere Geduld wirklich auf eine harte Probe. Niemand darf den Sarg der Mumie berühren. Er enthält einen wertvollen Schatz, der dem Britischen Museum gehört und auf gar keinen Fall der Luft ausgesetzt werden darf.«
    »Was denkst du dir nur, so etwas zu sagen!« brüllte er. Er wurde hysterisch.
    »Sei still«, sagte Randolph zu ihm. »Ich habe genug gehört!«
    Lärm ertönte von draußen; Stimmen. Jemand war die Treppe heraufgekommen und sah zur Tür herein.
    »Henry, ich dulde dieses Durcheinander in meinem Haus nicht«, sagte Julie knapp.
    Die Männer von Scotland Yard sahen Henry kalt an.
    »Sir, wenn die Lady nicht wünscht, daß das Haus durchsucht wird…«
    »Nein, gewiß nicht«, antwortete Julie. »Ich finde, es ist schon genügend Ihrer kostbaren Zeit vergeudet worden. Wie Sie sehen können, ist hier nichts Außergewöhnliches vorgefallen.«
    Natürlich lag die Kaffeetasse umgekippt auf dem Tablett und das Taschentuch auf dem Boden, aber sie blieb kalt stehen und sah von Henry zu dem Beamten. Und dann zu dem anderen Beamten, der sie ein wenig zu eindringlich musterte, auch wenn er kein Wort sagte.
    Keiner sah, was sie sah – Ramses, der langsam die Treppe herunterkam. Sie sahen nicht, wie er durch die Diele kam und lautlos das Zimmer betrat. Sie sahen ihn erst, als Julie den Blick nicht von ihm abwenden konnte und die anderen es merkten und sich nach dem Grund umdrehten – dem großen, braunhaarigen Mann im burgunderfarbenen Seidenmorgen-mantel, der unter der Tür stand.
    Es verschlug ihr den Atem, wenn sie ihn ansah. Majestätisch.
    So sollten alle Könige sein. Und doch sah er übermenschlich aus, als wäre sein Hof ein Ort der Supermenschen. Männer mit ungewöhnlicher Kraft und fürstlichem Gebaren, mit lebhaf-ten und stechenden Augen.
    Selbst der Morgenmantel mit den Satinaufschlägen sah ungewöhnlich an ihm aus. Die Hausschuhe glichen denen aus einer uralten Gruft. Das weiße Hemd, das er trug, war nicht zugeknöpft; doch auch das sah seltsam »normal« aus, möglicherweise weil seine Haut diese gesunde Färbung hatte und er die Brust ein wenig nach vorne reckte und die Füße fest auf den Boden gestemmt hatte. Dies war eine Geste, die Unter-werfung verlangte, aber sein Ausdruck hatte nichts Arrogantes an sich. Er sah lediglich sie an und dann Henry, der bis zu den Wurzeln seines dunklen Haars rot geworden war.
    Henry starrte das offene Hemd an. Und den Skarabäusring, den Ramses an der rechten Hand trug. Beide Beamten sahen ihn an. Und Randolph schien völlig verwirrt. Er kannte er den Morgenmantel, den er seinem Bruder geschenkt hatte? Rita war zur Wand zurückgewichen und hielt die Hand vor den Mund.
    »Onkel Randolph«, sagte Julie und trat vor. »Dies ist ein guter Freund von Vater, der gerade aus Ägypten eingetroffen ist. Ein Ägyptologe, den Vater gut gekannt hat. Äh… Mr. Ramsey, Reginald Ramsey, ich möchte, daß du meinen Onkel kennenlernst, Randolph Stratford, und das ist sein Sohn Henry…«
    Ramses sah Randolph an und dann wieder Henry. Henry erwiderte Ramses’ Blick dümmlich. Julie bat Ramses mit einer knappen Geste um Geduld.

    »Ich glaube, dies ist nicht der richtige Zeitpunkt für eine lange Unterhaltung«, sagte sie verlegen. »Wirklich, ich bin ziemlich müde, und dies alles ist so unerwartet über mich gekommen…«
    »Nun, Miss Stratford, vielleicht hat Ihr Cousin diesen Herrn gesehen«, sagte der freundliche Beamte.
    »Oh, das wäre durchaus denkbar«, antwortete sie. »Aber ich muß mich jetzt um meinen Gast kümmern. Er hat noch nicht gefrühstückt. Ich muß…«
    Henry wußte es! Sie sah es ihm an. Sie bemühte sich, etwas Belangloses zu sagen. Daß es nach acht Uhr war. Daß sie Hunger hatte. Henry wich in die Ecke zurück. Und Ramses sah Henry an, während er hinter die beiden Männer von Scotland Yard trat, zu dem Taschentuch, das er

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