Die Mumie
mir die Feststellung erlauben, daß keine noch so große Geldsumme ein Menschenleben wert ist. Und du mußt aufhören, daran zu denken.«
Randolph lächelte. Elliott kostete den Wein. Ausgezeichnet.
Die Stratfords tranken immer guten Wein. Tagein, tagaus tranken sie Rebensaft, den andere Leute für festliche Gelegenheiten aufbewahrten.
»Wirklich?« sagte Randolph. »Keine Geldsumme. Und woher soll ich das Geld bekommen, mit dem ich verhindern könnte, daß meine Nichte das wahre Ausmaß meiner Unterschlagungen erfährt?«
Der Earl schüttelte den Kopf. »Wenn du dir das Leben nimmst, wird sie ganz zweifellos alles herausfinden.«
»Ja, aber ich werde nicht mehr da sein und Fragen beantworten müssen.«
»Eine Kleinigkeit, die deine verbleibenden Jahre nicht auf-wiegt. Du redest Unsinn.«
»Wirklich? Sie wird Alex nicht heiraten. Das weißt du auch.
Und selbst wenn, würde sie Stratford Shipping nicht den Rükken kehren. Nichts steht zwischen mir und der endgültigen Katastrophe.«
»O doch.«
»Und was?«
»Wart ein paar Tage ab, dann siehst du, ob ich nicht recht habe. Deine Nichte hat einen neuen Zeitvertreib gefunden.
Ihren Gast aus Kairo, Mr. Reginald Ramsey. Alex ist deswegen natürlich am Boden zerstört, aber er wird es verschmer-zen. Und dieser Reginald Ramsey könnte Julie nicht nur von meinem Sohn, sondern auch von Stratford Shipping wegholen.
Und deine Probleme könnten eine einfache Lösung finden.
Vielleicht verzeiht sie dir alles.«
»Ich habe diesen Burschen gesehen!« sagte Randolph. »Ich habe ihn heute morgen gesehen, als Henry diese peinliche Szene gemacht hat. Du willst mir doch nicht sagen…«
»Ich habe da so eine Ahnung. Julie und dieser Mann…«
»Henry müßte in dem Haus sein!«
»Vergiß es. Es ist einerlei, was du sagst.«
»Tja, ich muß sagen, du klingst regelrecht fröhlich! Ich hätte gedacht, daß dich das Ganze mehr aus der Fassung bringen würde als mich.«
»Es ist unwichtig.«
»Seit wann?«
»Seit ich angefangen habe, darüber nachzudenken, wirklich darüber nachzudenken, woraus unser Leben eigentlich besteht. Alter und Tod erwarten uns alle. Und da wir dieser sim-plen Tatsache nicht ins Gesicht sehen können, suchen wir nach endlosen Ablenkungen.«
»Großer Gott, Elliott! Du redest nicht mit Lawrence, du redest mit Randolph! Ich wünschte, ich könnte deinen Standpunkt teilen. Im Moment allerdings würde ich meine Seele für hunderttausend Pfund verkaufen. Wie viele andere Männer auch.«
»Ich nicht«, sagte Elliott. »Und ich habe keine hunderttausend Pfund und werde sie nie haben. Hätte ich sie, würde ich sie dir geben.«
»Wirklich?«
»Ja, ich glaube schon. Aber laß uns doch über eine andere Möglichkeit nachdenken. Julie möchte vielleicht den Fragen über ihren Freund Mr. Ramsey aus dem Weg gehen. Sie möchte vielleicht eine gewisse Zeit allein verbringen, wirklich unabhängig sein. Und dann hättest du alles wieder im Griff.«
»Ist das dein Ernst?«
»Ja, und jetzt gehe ich nach Hause, Randolph. Ich bin müde.
Schneid dir nicht die Pulsadern auf. Trink soviel du willst, aber tu uns allen nicht so etwas Schreckliches an. Komm morgen abend zu mir zum Essen. Ich habe Julie und diesen geheimnisvollen Mann eingeladen. Laß mich nicht im Stich. Und wenn alles überstanden ist, sind wir vielleicht in bezug auf die aktuelle Situation um einiges klüger. Du bekommst vielleicht alles, was du willst. Und ich finde die Lösung eines Rätsels.
Kann ich damit rechnen, daß du morgen abend kommst?«
»Morgen abend?« sagte Randolph. »Du kommst um ein Uhr nachts hierher, um mich einzuladen?«
Elliott lachte. Er stellte das Glas hin und stand auf.
»Nein«, sagte er. »Ich bin gekommen, um dir das Leben zu retten. Glaub mir, wegen hunderttausend Pfund, das lohnt sich nicht. Nur am Leben zu sein… keine Schmerzen zu haben…
aber warum sollte ich dir das erklären?«
»Ja, überanstreng dich nicht.«
»Gute Nacht, mein Freund. Und nicht vergessen. Morgen abend. Ich finde allein raus. Und jetzt sei ein braver Mann und geh ins Bett, bitte.«
Mit einer elektrischen Fackel führte Samir Ramses rasch durch die ganze Sammlung. Was der König empfand, gab er nicht preis. Er betrachtete nacheinander jedes einzelne Objekt
– Mumie, Sarkophag, Statue -, der Vielzahl kleiner Gegenstände in den unzähligen Schaukästen widmete er jedoch kaum Aufmerksamkeit.
Ihre Schritte hallten auf dem Steinboden. Der Nachtwächter, der sich längst an Samirs
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