Die Mumie
Mannes, der Julie den Hof macht…«
»Ah, Alex mit den sanften Augen.«
»Ja, Sire. Der Vater ist ein Mann, mit dem man rechnen sollte.
Er ahnt es. Aber er könnte schon bald davon überzeugt sein.«
»Dieses Wissen ist Gift! So tödlich wie die Gifte in meinem Grab. Zuerst kommt Faszination, dann Habgier und zuletzt Verzweiflung.«
Sie waren bei der Seitentür angelangt. Es regnete in Strömen.
Samir konnte den Regen durch das dicke Glas zwar sehen, aber nicht hören.
»Sag mir, warum dieses Wissen für dich kein Gift ist«, bat Ramses.
»Ich will nicht ewig leben, Sire.«
Schweigen.
»Ich weiß. Das verstehe ich. Aber im Grunde meines Herzens verstehe ich es nicht.«
»Seltsam, Sire, daß ich Ihnen Erklärungen geben muß. Ihnen, der Sie Dinge wissen müssen, die ich selbst niemals erfahren werde.«
»Ich bin dir dankbar für die Erklärung.«
»Mir fällt das Leben jetzt schon schwer genug. Ich habe meinen Freund sehr gern gehabt und fürchte um seine Tochter.
Ich fürchte um Sie. Ich fürchte, Wissen zu erlangen, das letztendlich niemandem nützen wird.«
Wieder eine Pause.
»Du bist ein weiser Mann«, sagte Ramses. »Aber hab keine Angst um Julie. Ich werde Julie beschützen, auch vor mir selbst.«
»Nehmen Sie meinen Rat an und gehen Sie. Wilde Gerüchte machen die Runde. Und man wird feststellen, daß der Sarg leer ist. Wenn Sie weg sind, wird Gras über die Sache wachsen. Es muß Gras darüber wachsen. Der menschliche Verstand funktioniert immer so.«
»Ja. Ich werde gehen. Ich muß Ägypten wiedersehen. Ich muß die moderne Stadt Alexandria sehen, die auf den Palästen und Straßen, die ich gekannt habe, errichtet worden ist. Ich muß Ägypten wiedersehen, um meinen Frieden damit zu machen, damit ich mich der modernen Welt stellen kann. Aber wann, das ist die Frage.«
»Sie brauchen Papiere, um zu reisen, Sire. In der heutigen Zeit muß man sich ausweisen können. Ich kann Ihnen die Papiere besorgen.«
Ramses überlegte. Dann: »Sag mir, wo ich Henry Stratford finden kann.«
»Das weiß ich nicht, Sire. Wüßte ich es, würde ich ihn vielleicht selbst töten. Er wohnt gelegentlich bei seinem Vater.
Und er hält sich eine Geliebte. Doch ich flehe Sie an, kehren Sie England den Rücken, und verschieben Sie die Rache auf einen späteren Zeitpunkt. Ich besorge Ihnen die Papiere, die Sie brauchen.«
Ramses nickte, aber es war kein zustimmendes Nicken. Er be-dankte sich lediglich für den gutgemeinten Rat, das wußte Samir.
»Wie soll ich dir deine Loyalität belohnen, Samir?« fragte er.
»Gibt es etwas, das ich dir geben kann?«
»Ich möchte in Ihrer Nähe sein, Sire. Sie kennenlernen. Ab und zu ein kleines Körnchen Ihrer Weisheit hören. Sie über-schatten die Geheimnisse, die mich fasziniert haben. Das Geheimnis sind jetzt Sie. Aber ich verlange eigentlich nichts, nur daß Sie im Interesse Ihrer eigenen Sicherheit abreisen. Und daß Sie Julie Stratford beschützen.«
Ramses lächelte wohlwollend. »Besorg mir die Reisepapiere«, sagte er. Er griff in die Tasche und holte eine Goldmünze heraus, die Samir auf der Stelle erkannte. Er mußte die Prägung nicht ansehen. »Nein, Sire, ich kann nicht. Dies ist keine Mün-ze mehr. Es ist mehr…«
»Nimm sie, mein Freund. Wo sie herkommt, gibt es noch viel mehr davon. In Ägypten habe ich Reichtümer versteckt, die ich selbst nicht mehr schätzen kann.«
Samir nahm die Münze, ohne zu wissen, was er damit anfangen sollte.
»Ich kann für Sie beschaffen, was Sie wollen.«
»Und dir selbst? Was brauchst du, damit du mit uns reisen kannst?«
Samir spürte, wie sein Herz schneller schlug. Er sah ins Gesicht des Königs, das jedoch im grauen Licht, das von der Tür drang, kaum auszumachen war.
»Ja, Sire, wenn Sie es wünschen. Ich werde Sie mit Freuden begleiten.«
Ramses machte eine knappe Geste der Höflichkeit. Samir öffnete unverzüglich die Tür, Ramses deutete eine Verbeugung an und ging schweigend in den Regen hinaus.
Samir blieb lange Zeit reglos stehen. Obwohl ihm der kalte Regen ins Gesicht schlug, bewegte er sich nicht. Schließlich machte er die Tür zu und schloß ab. Er ging durch die dunklen Säle des Museums, bis er die Eingangshalle erreicht hatte.
Dort stand die große Statue von Ramses dem Großen, die schon seit vielen Jahren alle begrüßte, die das Museum betraten.
Dem König hatte sie nur ein flüchtiges Lächeln entlockt. Aber Samir starrte sie an und wußte, daß er sie anbetete.
Inspektor Trent saß an
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