Die Mumie
Beeilen Sie sich und überlassen Sie das mir.«
Er staunte nicht schlecht.
»Aber, Miss Julie, was ist mit…«
»Sputen Sie sich, Oscar. Rufen Sie unverzüglich an. Rasch.
Es ist keine Zeit zu verlieren.«
Als sie mit dem schweren Tablett in den Sonnenschein hinaus trat, staunte sie wieder über die großen, wunderschönen Blumen. Die purpurnen Orchideen und die gelben Gänseblümchen waren gleichermaßen herrlich.
»Nun sieh dir das an«, flüsterte sie. »Wenn ich bedenke, daß mir das alles bisher kaum aufgefallen ist. Alles blüht. Wie schön…«
Er stand an der Hintertür und betrachtete sie mit demselben traurigen und wunderbaren Gesichtsausdruck. »Ja, sehr schön«, sagte er.
Alles im Haus befand sich in Aufruhr. Rita hatte völlig den Verstand verloren, als sie erfahren hatte, daß Julie nach Ägypten wollte. Oscar, der zurückblieb, um das Haus zu hüten, hatte den Fahrern geholfen, die großen Koffer und Truhen nach unten zu tragen.
Randolph und Alex versuchten wütend, Julie die Reise auszu-reden.
Und der rätselhafte Mr. Reginald Ramsey saß im Korbsessel im Wintergarten und verschlang ein üppiges Mahl, das er mit reichlich Wein hinunterspülte. Und dabei las er Zeitungen, zwei gleichzeitig, wenn Elliott sich nicht irrte. Und ab und zu hob er ein Buch vom Boden auf und blätterte darin, so, als suchte er ein schrecklich wichtiges Kapitel. Wenn er es gefunden hatte, ließ er das Buch achtlos fallen.
Elliott saß auf Lawrences Sessel im Ägyptischen Zimmer und beobachtete die Geschehnisse im Haus. Hin und wieder sah er zu Julie im Salon hinüber, dann wieder zu Mr. Ramsey, der mit Sicherheit wußte, daß er beobachtet wurde, dem das aber nichts auszumachen schien.
Der andere schweigende und einsame Beobachter war Samir-Ibrahaim, der ganz hinten im Wintergarten stand. In der ungewöhnlich üppigen Frühlingsvegetation wirkte er seltsam verloren. Er stand da und blickte an dem gleichgültigen Mr.
Ramsey vorbei in die schattigen vorderen Zimmer.
Julie hatte Elliott vor über drei Stunden angerufen. Dieser hatte unverzüglich gehandelt. Während das kleine Drama im Salon seinen Lauf nahm, wußte er mehr oder weniger schon, wie es weiterging.
»Aber du kannst nicht einfach mit einem Mann, von dem du nichts weißt, nach Ägypten gehen«, sagte Randolph und be-mühte sich, nicht mit erhobener Stimme zu sprechen. »So eine Reise kannst du nicht ohne richtige Anstandsdame unternehmen.«
»Julie, das dulde ich nicht«, sagte Alex blaß vor Verzweiflung.
»Ich lasse nicht zu, daß du das alleine machst.«
»Jetzt hört aber beide auf«, antwortete Julie. »Ich bin eine erwachsene Frau. Ich gehe. Und ich kann auf mich selbst aufpassen. Außerdem ist Rita ständig bei mir. Und Samir, Vaters engster Freund. Einen besseren Beschützer als Samir kann ich mir nicht vorstellen.«
»Julie, keiner ist ein angemessener Reisebegleiter, das weißt du. Das Ganze grenzt an einen Skandal.«
»Onkel Randolph, das Schiff läuft um vier Uhr aus. Wir müssen jetzt gehen. Wir sollten uns lieber um das kümmern, was es hier noch zu tun gibt, meinst du nicht? Ich habe eine Vollmacht ausstellen lassen, damit du freie Hand über Stratford Shipping hast.«
Schweigen. Aha, jetzt kommen wir endlich zum Kern der Sache, dachte Elliott kalt. Er hörte, wie Randolph sich räusperte.
»Nun, das ist wohl notwendig, meine Liebe«, sagte er mit schwacher Stimme.
Alex wollte sich einmischen, aber Julie überging ihn höflich.
Gab es noch Papiere, die sie für Randolph unterschreiben mußte? Er konnte sie jederzeit nach Alexandria senden. Sie würde sie unterschreiben und von dort zurückschicken.
Als Elliott sich sicher sein konnte, daß Julie wie geplant abreisen würde, stand er auf und schlenderte gemächlichen Schrittes in den Wintergarten.
Ramsey aß immer noch. Gerade nahm er eine von drei angezündeten Zigarren und zog daran, um sich dann wieder über Roastbeef und Butterbrot herzumachen. Vor ihm lag ein Buch über die neuere Geschichte Ägyptens. Das Kapitel, das er aufgeschlagen hatte, trug den Titel »Das Massaker an den Mamelucken«. Der Mann schien es nur zu überfliegen, so rasch glitt sein Finger über die Zeilen.
Erst jetzt sah Elliott das Grün um sich herum. Die Größe des Farns an seiner Seite erstaunte ihn, ebenso sehr wie die dichte, buschige Bougainvillea, die seine Schulter streifte und teilweise die Tür versperrte. Großer Gott, was war hier geschehen? Lilien, wohin er sah, die Gänseblümchen
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