Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
hielt die glänzende Kleopatra-Münze hoch.
    Abdel griff danach, noch ehe er richtig von seinem Stuhl aufgestanden war. Samir betrachtete ausdruckslos, wie er sie untersuchte.
    »Diskretion, mein Freund«, sagte Samir. »Eile und Diskretion.
    Unterhalten wir uns über die Einzelheiten.«

    Oscar war wieder da. Das könnte ein Problem werden, dachte Julie, aber nur, wenn Rita etwas Dummes sagte, andererseits hörte Oscar nie hin, wenn Rita etwas sagte. Er hielt Rita für eine dumme Pute.
    Als Julie die Treppe herunterkam, machte ihr Butler gerade die Tür zu. Er hielt einen Rosenstrauß im Arm. Er gab ihr den Brief, der dabei gewesen war.
    »Ist gerade eingetroffen, Miss«, sagte er.
    »Ja, ich weiß.«
    Sie stellte erleichtert fest, daß der Strauß von Elliott kam, und nicht von Alex. Hastig überflog sie den Brief, während Oscar wartete.
    »Rufen Sie den Earl of Rutherford an, Oscar. Sagen Sie ihm, daß ich heute abend unmöglich kommen kann. Ich werde spä-
    ter selbst anrufen und ihm alles erklären.«
    Er wollte gerade gehen, als sie eine Rose aus dem Strauß zog. »Stellen Sie sie ins Eßzimmer, Oscar«, sagte sie. Sie liebte den Duft. Sie nahm die zarten Blütenblätter zwischen die Finger. Was sollte sie wegen Alex unternehmen? Es war ge-wiß zu früh, etwas zu tun, aber jeder Tag, der verstrich, machte alles nur noch schlimmer.
    Ramses. Wo war er? Das war in der Tat das Wichtigste. Die Tür zum Zimmer ihres Vaters stand offen, das Bett war unberührt.
    Sie eilte durch die Diele in den Wintergarten zurück. Noch bevor sie die Tür erreicht hatte, sah sie die prachtvolle Bougainvillea in ihrer roten Blütenpracht.
    Daß ihr diese wunderschönen Blüten gestern gar nicht aufgefallen waren. Und diese Farne, wunderbar. Und die Lilien, die schon so früh blühten.
    »Welch ein Wunder«, sagte sie.
    Sie sah Ramses, der in einem Korbsessel saß und sie beobachtete. Und er war bereits für die Abenteuer des Tages gekleidet. Diesesmal hatte er keine Fehler gemacht. Wie wohl und schön er im hellen Sonnenlicht aussah: das Haar voller und dichter, die großen blauen Augen ernst und melancholisch, als er sie ansah – das heißt, bevor er anfing zu strahlen und ihr dieses unwiderstehliche Lächeln schenkte.
    Einen Moment lang spürte sie, wie sich Angst ihrer bemächtigte. Er schien den Tränen nahe zu sein. Er stand vom Sessel auf, kam zu ihr und strich ihr sanft mit den Fingern über das Gesicht.
    »Welch ein Wunder du bist!« sagte er.
    Sie sahen einander an. Sie wollte die Arme um seinen Hals schlingen. Aber sie sah ihn lediglich an und spürte seine Nä-
    he. Dann streckte sie die Hand aus und berührte auch sein Gesicht.
    Sie hätte aufhören sollen, das wußte sie. Jetzt überraschte er sie. Er wich zurück, küßte sie fast unterwürfig auf die Stirn und sagte:
    »Ich möchte nach Ägypten, Julie. Früher oder später muß ich nach Ägypten. Laß es gleich geschehen.«
    Wie niedergeschlagen und gequält er sich anhörte. In die Sanftheit von gestern mischte sich nun Traurigkeit. Seine Augen schienen dunkler und größer zu sein. Und sie hatte recht gehabt – er war den Tränen nahe, und das erfüllte ihre Seele wieder mit Furcht.
    Großer Gott, wie groß mußte seine Leidensfähigkeit sein.
    »Gewiß«, sagte sie. »Wir reisen nach Ägypten, du und ich gemeinsam…«
    »Ich habe gehofft, daß du das sagst«, sagte er. »Julie, dieses Zeitalter kann niemals mir gehören, wenn ich Ägypten nicht Lebewohl sage, denn Ägypten ist meine Vergangenheit.«
    »Ich verstehe.«

    »Ich will die Zukunft!« sagte er mit einer flüsternden Stimme.
    »Ich will…« Er verstummte, da er eindeutig außerstande war, weiter zu sprechen. Verlegen wandte er sich von ihr ab, griff in die Tasche und holte eine Handvoll Goldmünzen heraus.
    »Können wir damit ein Schiff kaufen, Julie, das uns übers Meer bringt?«
    »Überlaß alles mir«, sagte sie. »Wir fahren. Und nun setz dich und iß dein Frühstück. Ich weiß, wie hungrig du bist. Das mußt du mir nicht sagen.«
    Jetzt mußte er doch lachen.
    »Und ich werde mich unverzüglich um alles kümmern.«
    Sie ging in die Küche. Oscar richtete gerade das Frühstückstablett für sie. In der Küche roch es angenehm nach Kaffee und Zimt und frisch gebackenen Hörnchen.
    »Oscar, rufen Sie unverzüglich für mich bei Thomas Cook an.
    Buchen Sie eine Überfahrt für Mr. Ramsey und mich nach Alexandria. Sehen Sie zu, daß wir bald reisen können. Wenn möglich brechen wir heute noch auf.

Weitere Kostenlose Bücher