Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
immer noch die Mumie, betrachtete den Ring. »Wieder eine Anspielung auf die Sonne. Immer wieder die Sonne.« Er drehte sich zu Lawrence um. »Aber Sie glauben doch sicher nicht…!«
    »Samir, wenn Sie an den Fluch glauben können, warum dann nicht auch an einen unsterblichen Mann?«
    »Lawrence, Sie machen sich lustig über mich. Ich habe das Wirken zahlreicher Flüche gesehen, mein Freund. Aber einen unsterblichen Mann, der in Athen unter Perikles und in der Republik Roms und in Karthago unter Hannibal gelebt haben soll? Ein Mann, der Kleopatra die Geschichte Ägyptens gelehrt hat? Davon weiß ich überhaupt nichts.«
    »Hören Sie doch einmal zu, Samir: ›Ihre Schönheit wird mich auf ewig quälen, ebenso ihr Mut und ihre Frivolität und ihre Leidenschaft für das Leben, die in ihrem Eifer so unmenschlich wirkte und letztendlich doch nur menschlich war‹.«
    Samir antwortete nicht. Er hatte den Blick wieder auf die Mumie gerichtet, als könnte er es nicht lassen, sie anzustarren.
    Lawrence hatte vollstes Verständnis dafür, eben darum hatte er dem Ding den Rücken zugekehrt und las den Papyrustext, um so die vordringliche Arbeit zu erledigen.
    »Lawrence, diese Mumie ist so tot wie alle, die ich im Museum von Kairo gesehen habe. Ein Geschichtenerzähler, das war der Mann. Und doch, diese Ringe.«
    »Ja, mein Freund, ich habe ihn vorhin gründlich untersucht; es handelt sich um die Kartusche von Ramses dem Großen, und damit haben wir nicht nur einen Geschichtenerzähler vor uns, sondern auch einen Antiquitätensammler. Möchten Sie, daß ich das glaube?«
    Ja, was glaubte Lawrence eigentlich? Er lehnte sich gegen die schlaffe Leinwand des Klappstuhls und ließ den Blick über den Inhalt dieser seltsamen Kammer schweifen. Dann übersetzte er wieder von der Schriftrolle.
    »›Und so ziehe ich mich in diese abgelegene Kammer zurück; nun soll meine Bibliothek meine Gruft werden. Meine Diener sollen meinen Leib salben und in Grabesleinen einschlagen, wie es der Brauch meiner jetzt so lange vergessenen Zeit war.
    Aber kein Messer soll mich berühren. Kein Einbalsamierer soll Herz und Hirn aus meinem unsterblichen Leib herausnehmen.‹«
    Plötzlich kam eine Euphorie über Lawrence, oder handelte es sich um einen Tagtraum? Die Stimme – sie war plötzlich Wirklichkeit. Er spürte die Individualität wie sonst nie bei den alten Ägyptern. Aber natürlich war dieser Mann unsterblich…

    Elliott betrank sich, aber niemand wußte es. Außer Elliott, der ganz nonchalant, wie sonst übrigens nie, am vergoldeten Ge-länder des Zwischenstockabsatzes lehnte. Sonst hatten selbst die kleinsten seiner Gesten Stil, doch nun setzte er sich dreist darüber hinweg, wohl wissend, daß es niemand bemerken, daß sich niemand daran stören würde.
    Ah, welch eine Welt, die fast ausschließlich aus Feinheiten bestand. Welch ein Grauen. Und er mußte an diese Hochzeit denken, mußte über diese Hochzeit reden, mußte etwas gegen den traurigen Anblick seines ganz eindeutig niederge-schlagenen Sohnes tun, der jetzt, nachdem er mit angesehen hatte, wie Julie mit einem anderen tanzte, die Marmortreppe heraufkam.
    »Ich bitte dich, mir zu vertrauen«, sagte Randolph. »Ich garan-tiere diese Hochzeit. Es erfordert nur ein wenig Zeit.«
    »Du denkst doch sicher nicht, daß es mir Spaß macht, Druck auf dich auszuüben«, antwortete Elliott. Schwere Zunge. Bereits betrunken. »Ich fühle mich wesentlich wohler in einer Traumwelt, Randolph, wo Geld ganz einfach nicht existiert.
    Tatsache ist leider, daß wir uns solche Tagträume nicht leisten können, wir beide nicht. Diese Heirat ist für uns beide lebens-wichtig.«
    »Dann werde ich Lawrence persönlich aufsuchen.«
    Elliott drehte sich um und sah seinen Sohn, der etwas entfernt wie ein Schuljunge darauf wartete, daß die Erwachsenen ihn zur Kenntnis nahmen.
    »Vater, ich brauche dringend Trost«, sagte Alex.
    »Was du brauchst, ist Mut, junger Mann«, sagte Randolph gal-lig. »Sag mir nicht, daß du dich wieder hast abweisen lassen.«

    Alex nahm dem vorbeihuschenden Kellner ein Glas Champagner ab.
    »Sie liebt mich. Sie liebt mich nicht«, sagte er leise. »Tatsache ist, ich kann nicht ohne sie leben. Sie macht mich verrückt.«
    »Selbstverständlich nicht.« Elliott lachte sanft. »Sieh hin. Dieser ungeschickte junge Mann da unten tritt ihr auf die Füße.
    Ich bin sicher, sie wäre dir sehr dankbar, wenn du sie unverzüglich erlösen würdest.«
    Alex nickte und merkte kaum, daß sein

Weitere Kostenlose Bücher