Die Muschelsucher
Drinks, holte Leute ans Telefon, polierte Bestecke und bediente bei den Mahlzeiten. Und kurz bevor es dunkel wurde, mußte sie bei den Kabinen die Runde machen und für Verdunkelung sorgen. Sie klopfte immer an, und wenn jemand drin war, sagte sie: »Bitte um Erlaubnis, das Schiff zu verdunkeln, Sir.« Sie war in Wahrheit ein Stubenmädchen bei der Royal Navy und wurde auch entsprechend bezahlt, fünfzehn Shilling die Woche. Alle vierzehn Tage war Zahltag, und sie mußte zusammen mit den anderen antreten und warten, bis die Reihe an ihr war, vor dem verkniffen dreinblickenden Zahlmeister - der so aussah, als ob er Frauen haßte, und es wahrscheinlich auch tat - zu salutieren, ihren Namen zu sagen und einen braunen Umschlag mit ihrem mageren Sold entgegenzunehmen.
Um Erlaubnis zur Schiffsverdunkelung zu bitten, war nur einer der Ausdrücke aus der vollkommen neuen Sprache, die sie lernen mußte, und sie hatte eine Woche in einem Ausbildungslager verbracht, um das zu tun. Ein Schlafzimmer war eine Kabine; der Fußboden war das Deck; wenn sie zur Arbeit ging, ging sie an Bord; acht Glasen oder eine Wache waren vier Stunden, und jemanden über die Rahe fieren war jemanden betrunken machen, aber als Frau konnte man das schlecht und hatte deshalb auch keine Gelegenheit, diesen schönen Seemannsausdruck zu gebrauchen. Die Wal-Insel war tatsächlich eine Insel, und um dorthin zu kommen, mußte man eine Brücke überqueren, was einigermaßen aufregend war und einem das Gefühl gab, man ginge an Bord eines Schiffs, obgleich man es gar nicht tat. Vor sehr langer Zeit war sie nichts weiter als eine Schlammbank im Hafen von Portsmouth gewesen, aber nun beherbergte sie die große und wichtige Marineschule und hatte einen Paradeplatz und eine Exerzierhalle, eine Kirche und Anleger und gewaltige Geschützbatterien, wo die Männer übten. Die Büros und Unterkünfte waren in einer Reihe von Häusern und Gebäuden aus rotem Backstein. Die Mannschaftsquartiere waren klein und ärmlich, wie Gemeindewohnungen, aber die Offiziersmesse war groß und luxuriös, ein Landhaus mit einem Fußballplatz als Park.
Es herrschte unaufhörlicher Lärm. Signalhörner wurden geblasen, und Pfiffe ertönten, und Tagesbefehle wurden aus dem knackenden und rauschenden Lautsprecher gebrüllt. Die Männer, die ausgebildet wurden, liefen immerzu in Zweierreihen herum, und ihre Stiefel knallten rhythmisch auf den Asphalt. Auf dem Paradeplatz schrien sich rotgesichtige Unteroffiziere die Kehle aus dem Hals, während Abteilungen verängstigter junger Seeleute ihr bestes taten, um die Schwierigkeiten des geschlossenen Exerzierens zu meistern. Jeden Morgen fand die Flaggenzeremonie statt, und die Königliche Marinekapelle schmetterte »Braganza« und »Hearts of Oak«. Wenn man draußen erwischt wurde, während die Fahne am Mast hochgezogen wurde, mußte man sich zum Achterdeck drehen und Habachtstellung einnehmen und so lange salutieren, bis alles vorbei war.
Die Angehörigen des Frauen-Marinehilfskorps waren in einem requirierten Hotel am nördlichen Stadtrand untergebracht. Penelope teilte dort mit fünf anderen Mädchen eine Kabine, in der sechs Kojen paarweise übereinander angebracht waren. Eines der Mädchen roch abscheulich, was kein Wunder war, da es sich so gut wie nie wusch. Das Quartier war drei Kilometer von der Wal-Insel entfernt, und da die Navy nicht für Beförderung sorgte und keine Busse fuhren, rief Penelope in Porthkerris an und bat Sophie, ihr das Fahrrad zu schicken, mit dem sie immer zur Schule gefahren war. Sophie versprach es. Sie würde es selbst zum Zug bringen, und Penelope sollte es vom Hauptbahnhof von Portsmouth abholen.
»Wie geht es dir denn, Liebling?«
»Ganz gut.« Es war schrecklich, Sophies Stimme zu hören und nicht bei ihr zu sein. »Wie geht es dir? Was macht Papa?«
»Miss Pawson hat ihm beigebracht, wie man mit einer Handspritze umgeht.«
»Und Doris und die Jungen?«
»Ronald ist in die Fußballmannschaft gekommen. Und wir glauben, daß Clark die Masern hat. Und im Garten blühen die ersten Schneeglöckchen.«
»Schon?« Sie hätte sie so gern gesehen. Sie wäre so gern dort gewesen. Es war schrecklich, an alle ihre Lieben in Cam Cottage zu denken und nicht bei ihnen zu sein. An ihr geliebtes Zimmer zu denken, das ihr ganz allein gehörte, an die Vorhänge, die sich in der Brise bauschten, und den Lichtkegel des Leuchtturms, der über die Wand strich.
»Bist du auch glücklich, Liebling?«
Doch ehe Penelope
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