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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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antworten konnte, kam ein Piep-piep-piep aus dem Hörer, und die Leitung war tot. Sie hängte auf und war froh, daß man sie unterbrochen hatte, ehe sie antworten konnte, denn sie war nicht glücklich. Sie fühlte sich einsam, sie hatte Heimweh, sie langweilte sich. Sie paßte nicht in diese merkwürdige neue Welt und fürchtete, daß sie nie hineinpassen würde. Sie hätte Krankenschwester werden sollen oder Landarbeiterin für den Kriegseinsatz oder Arbeiterin in einer Munitionsfabrik - irgend etwas, nur nicht den impulsiven und spektakulären Entschluß fassen, dem sie diese nicht endenwollende Misere verdankte.
    Der nächste Tag war ein Donnerstag. Inzwischen war Februar, und es war noch sehr kalt, aber die Sonne hatte den ganzen Tag geschienen, und um fünf Uhr hatte Penelope endlich dienstfrei, verließ den Komplex, salutierte vor dem wachhabenden Offizier und schritt über die schmale Brücke. Es war Hochwasser, und Portsdown Hill wirkte in der einsetzenden Dämmerung paradiesisch ländlich. Wenn ihr Fahrrad da war, würde sie vielleicht Ausflüge machen können und irgendwo ein bißchen Gras finden, auf das sie sich setzen konnte. Aber nun hatte sie nur die langen, leeren Abendstunden vor sich, und sie überlegte, ob sie die Ausgabe riskieren und ins Kino gehen könnte.
    Hinter ihr näherte sich ein Auto, das in die Stadt fuhr. Sie ging weiter. Es wurde langsamer und hielt neben ihr. Es war ein schnittiger kleiner MG mit zurückgeklapptem Verdeck. »Wohin wollen Sie?«
    Zuerst konnte sie es kaum glauben, daß sie angesprochen wurde. Es war das erste Mal, daß sie hier jemand ansprach, natürlich abgesehen davon, daß die Männer sich in der Messe an sie wandten, um ihr zu sagen, daß sie Erbsen und Karotten haben wollten, oder um einen Pink Gin zu bestellen. Aber da sonst niemand in der Nähe war, mußte sie gemeint sein. Penelope erkannte den Fahrer. Es war der großgewachsene, dunkelhaarige und blauäugige Oberleutnant zur See, der Keeling hieß. Sie wußte, daß er einen Artillerielehrgang machte, weil er in der Messe Gamaschen, weiße Flanellhosen und ein weißes Halstuch trug, also die vorgeschriebene Uniform für Offiziere, die an einem Lehrgang teilnahmen. Aber jetzt trug er gewöhnliche Uniform und wirkte unbeschwert und ausgesprochen gutgelaunt, wie jemand, der sich einen lustigen Abend machen will.
    Sie sagte: »Zum Quartier des Frauen-Marinehilfskorps.« Er beugte sich zur Seite und öffnete die Beifahrertür. »Steigen Sie ein, und ich bring Sie hin.«
    »Ist es denn Ihre Richtung?«
    »Nicht ganz, aber das macht nichts.«
    Sie stieg ein und machte die Tür zu. Der kleine Wagen sauste so schnell los, daß sie ihren Hut festhalten mußte. »Ich habe Sie doch schon mal gesehen, nicht wahr? Sie arbeiten in der Messe?«
    »Ja.«
    »Macht es Spaß?«
    »Es geht.«
    »Warum haben Sie die Arbeit dann genommen?«
    »Ich konnte nichts anderes.«
    »Ist dies Ihr erster Einsatz?«
    »Ja. Ich habe mich erst vor einem Monat verpflichtet.«
    »Wie gefällt es Ihnen bei der Navy?« Da er so eifrig und begeistert wirkte, mochte sie ihm nicht sagen, daß sie die Navy haßte. »Ganz gut. Ich gewöhne mich langsam daran.«
    »Ein bißchen wie im Internat?«
    »Ich war nicht im Internat, und ich kann es deshalb nicht beurteilen.«
    »Wie heißen Sie?«
    »Penelope Stern.«
    »Ich bin Ambrose Keeling.«
    Für viel mehr reichte die Zeit nicht. Fünf Minuten später fuhren sie durch das Tor des Marinehilfskorps-Quartiers, und vor dem Eingang bremste er so scharf, daß der Kies laut knirschte und die diensthabende Unteroffizierin mit einem mißbilligenden Stirnrunzeln aus ihrem Fenster sah.
    Er stellte den Motor ab, und Penelope sagte: »Vielen Dank« und langte zum Türgriff. »Was haben Sie heute abend vor?«
    »Eigentlich nichts.«
    »Ich auch nicht. Warum trinken wir nicht zusammen ein Glas im Offiziersclub?«
    »Was. jetzt gleich?«
    »Ja. Jetzt gleich.« Die blauen Augen funkelten belustigt. »Klingt das so gefährlich?«
    »Nein. kein bißchen. Es ist nur, weil.« Gemeine in Uniform durften keinen Offiziersclub betreten. »Ich müßte mich umziehen und. Zivil anziehen.« Das war noch etwas, was sie im Ausbildungslager gelernt hatte - normale Kleidung hieß »Zivil«. Sie war einigermaßen stolz, daß sie alle diese Regeln und Vorschriften behalten hatte.
    »Das macht nichts. Ich warte hier.«
    Sie stieg aus und ging ins Haus, während er im Auto sitzenblieb und sich eine Zigarette anzündete, um die Zeit zu

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