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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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postoperativen Kollaps, und es ging zu Ende. Er ist im Krankenhaus gestorben. Er ist nicht mal wieder zu Bewußtsein gekommen.«
    »Und du warst allein?«
    »Ja, ich war allein, aber Maria und Tomeu waren immer in der Nähe, und da ich nie daran gedacht hatte, daß so etwas passieren könne, machte ich mir zuerst keine allzu großen Sorgen. Ich meine, ich hatte keine Angst, daß er sterben würde. Und dann ging alles so schnell. Mir kam es so vor, als seien wir den einen Tag noch zusammen in Ca’n D’alt gewesen, und am nächsten Tag war er auf einmal tot. Es war natürlich nicht am nächsten Tag. Es kam mir nur so vor.«
    »Und was hast du dann gemacht?«
    »Oh. Ich weiß, es klingt schrecklich, aber wir mußten ihn möglichst schnell begraben. In Ibiza haben sie einfach nicht die nötigen Einrichtungen, um lange mit der Beerdigung zu warten. Man kann sich nicht vorstellen, daß sich die Nachricht auf einer Insel, wo praktisch niemand Telefon hat, in einem einzigen Tag herumspricht, aber es war so. Wie mit dem Buschtelegrafen. Er hatte so viele Freunde. Nicht nur Leute, die auf der Insel leben, sondern auch viele Einheimische, Männer, mit denen er in Pedros Café getrunken hatte, und die Fischer unten am Hafen und die Bauern aus der Nachbarschaft. Sie sind alle gekommen.«
    »Wo ist er begraben worden?«
    »Auf dem Friedhof hinter der kleinen Kirche im Dorf.«
    »Aber. es ist eine katholische Kirche.«
    »Ja, natürlich. Aber Daddy war katholisch. Obgleich er überhaupt nicht religiös war. Er ist als Kind katholisch getauft worden. Und er hat sich oft mit dem Dorfpriester unterhalten. Ein sehr netter Mann. Er ist gleich zu mir gekommen und hat versucht, mich zu trösten. Er hat den Gottesdienst gehalten, aber nicht in der Kirche, sondern am Grab, im Freien. In der Sonne. Als wir gingen, konnten wir das Grab vor lauter Blumen nicht mehr sehen. Es sah wunderschön aus. Und dann kamen alle nach Ca’n D’alt, und Maria hatte ein paar Kleinigkeiten zu essen gemacht, und sie tranken alle etwas Wein, und dann gingen sie wieder. Ja, so war es. Ich glaube, er hätte sich keinen schöneren Abschied wünschen können.«
    »Ich glaube, du hast recht. Obgleich alles so furchtbar traurig klingt. Sag mal, hast du Olivia das auch alles erzählt?«
    »Nein, nicht die Einzelheiten. Ich hatte den Eindruck, daß sie nicht allzuviel hören wollte.«
    »Ja, ich verstehe. Wenn Olivia sehr traurig oder bewegt ist, verbirgt sie ihre Gefühle, und es ist fast, als wolle sie sich vormachen, daß gar nichts geschehen wäre.«
    »Ich weiß. Ich habe es bemerkt. Aber es hat mich nicht gestört.«
    »Was hast du gemacht, als du bei ihr in London warst?«
    »Nicht viel. Ich bin zu Marks and Spencer gegangen und hab mir ein paar warme Sachen gekauft. Und ich bin zu Daddys Anwalt gegangen. Es war ziemlich deprimierend.«
    Penelope sank vor Mitleid das Herz. »Hat er dir nichts hinterlassen?«
    »Praktisch nichts. Er besaß nichts, was er hinterlassen konnte. Armer Daddy.«
    »Und das Haus in Ibiza?«
    »Es gehörte uns nicht. Es gehört einem Mann namens Carlos Barcello. Aber ich wollte sowieso nicht dort bleiben, und selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich die Miete nicht zahlen können.«
    »Sein Boot. Was ist mit dem Boot geworden?«
    »Er hat es verkauft, kurz nachdem Olivia gegangen war. Er hat sich nie wieder ein anderes gekauft.«
    »Aber die anderen Sachen. All seine Bücher. Die Möbel und die Bilder?«
    »Tomeu hat einen Freund gebeten, sie für mich aufzubewahren, bis ich sie brauche. Oder bis ich es über mich bringe, zurückzukommen und sie zu holen.«
    »Du wirst es vielleicht nicht glauben, Antonia, aber eines Tages wirst du es können.«
    Antonia verschränkte die Arme hinter dem Kopf und blickte in Gedanken versunken zur Decke. Dann sagte sie: »Ich fühle mich gut. Ich bin sehr traurig, aber nicht, weil er die Operation nicht überstanden hat. Er hätte sich nie wieder richtig erholt, er hätte sich herumgequält, und er hätte höchstens noch ein Jahr zu leben gehabt. Der Arzt hat es mir gesagt. Deshalb war es besser, daß er auf diese Weise gestorben ist. Ich trauere nur um all die verschwendeten Jahre, ich meine die Jahre, nachdem Olivia fortgegangen ist. Er hat nie wieder eine andere Frau gehabt. Er hat sie sehr geliebt. Ich glaube, sie war seine große Liebe.« Es war nun sehr still. Das Scharren und die Schritte oben hatten aufgehört, und Penelope vermutete, daß Noel für heute Schluß gemacht hatte und wieder

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