Die Muschelsucher
verblühten Rosen von den Stöcken und Büschen. Er erbot sich freiwillig, den Rasen zu mähen, aber nur, wenn es einen Motormäher gab, auf dem man sitzen konnte, und er sorgte dafür, daß jemand anders, gewöhnlich ein Mädchen, das in ihn vernarrt war, das gemähte Gras auf eine Schubkarre lud und zum Komposthaufen beförderte. Wenn es ganz schlimm kam, zum Beispiel, wenn Zaunpfähle mit einem Preßlufthammer in steinigen Boden getrieben werden mußten oder wenn sie ein großes Pflanzloch für einen neu gekauften Strauch ausheben sollten, pflegte er sich unauffällig ins Haus zu stehlen, eine Kunst, die er in jahrelanger Übung gemeistert hatte wie kaum ein anderer, und wenn die Mitgäste dann von der Arbeit erschöpft hereinkamen, saß er, von den Blättern der Sonntagszeitung umgeben, gemütlich vor dem Fernseher und sah sich die Übertragung eines Cricketspiels oder eines Golfturniers an.
Ganz ähnlich organisierte er sein Vorhaben auch diesmal.
Er würde den Sonnabend damit verbringen, das ganze Gerumpel zu sichten suchen. (Die schwere Arbeit, das Schieben und Heben und besonders das Hinunterwuchten der Sachen - zwei schmale Treppen! -, konnte bis zum nächsten Tag warten, wenn der neue Gärtner kam, dem er nur ein paar Anweisungen zu geben brauchte.) Wenn er bei seiner Suche Erfolg haben und eine, zwei oder sogar mehr Ölskizzen von Lawrence Stern finden sollte, würde er so tun, als sei er nicht weiter überrascht. Sie könnten vielleicht interessant sein, würde er zu seiner Mutter sagen, und sein weiteres Verhalten würde ganz davon abhängen, wie sie reagierte. Vielleicht lohnt es sich, daß man sie einem Fachmann zeigt, ich hob da einen alten Freund, Edwin Mundy, er ist Kunsthändler...
Am nächsten Morgen stand er früh auf und machte sich ein üppiges Frühstück - Spiegeleier mit Speck und Würstchen, vier Scheiben Toast, Butter und Marmelade, eine Kanne Kaffee. Während er es am Küchentisch einnahm, sah er zu, wie der Regen ans Fenster klatschte, und freute sich über das schlechte Wetter, weil seine Mutter ihn nun kaum auffordern konnte, irgendeine blöde Arbeit im Garten zu machen. Als er die zweite Tasse Kaffee trank und endlich ganz wach war, erschien sie in ihrem Morgenrock und schien sich nicht wenig zu wundern, daß er so früh auf war und sich selbst Frühstück gemacht hatte.
»Du wirst doch nicht zuviel Krach machen, Liebling? Ich möchte, daß Antonia möglichst lange schläft. Das arme Kind, sie ist noch völlig fertig von all dem, was sie durchgemacht hat.«
»Ich habe gehört, wie ihr bis zum frühen Morgen miteinander getuschelt habt. Was hattet ihr denn so Wichtiges zu besprechen?«
»Oh, dies und das.« Sie schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. »Noel, du wirfst doch bestimmt nichts weg, ohne mich vorher zu fragen?«
»Ich werde heute nur alles sichten und ordnen und sortieren. Wir haben morgen mehr als genug Zeit, um die Sachen, die du nicht mehr brauchst, zu verbrennen oder zu zerhacken. Aber du mußt vernünftig sein. Alte Strickmuster und Hochzeitsfotos von 1910 kommen ins Feuer.«
»Ich hab jetzt schon Angst davor, was du alles finden wirst.«
»Man kann nie wissen«, antwortete Noel und lächelte wie ein Unschuldsengel. »Vielleicht einen Schatz?«
Er ließ sie bei ihrem Kaffee und ging nach oben. Bevor er mit der Arbeit anfangen konnte, mußte er jedoch ein paar Schwierigkeiten praktischer Natur bewältigen. Der Speicher hatte nur ein winziges Fenster in der Ostgaube, und die einzige Beleuchtung, eine Glühbirne, die an einer Strippe vom mittleren Hahnenbalken baumelte, war so schwach, daß sie das bißchen graues Tageslicht, das durchs Fenster hereindrang, kaum heller machte. Noel ging wieder nach unten und fragte seine Mutter, ob sie eine starke Glühbirne habe. Sie suchte aus einem Karton unter der Treppe eine hervor, und er ging damit wieder auf den Speicher, stieg auf einen altersschwachen Stuhl, schraubte die alte Birne aus der Fassung und die neue hinein. Als er das Licht angeknipst hatte, mußte er jedoch feststellen, daß es immer noch nicht für die eingehende Untersuchung reichte, die er im Sinn hatte. Eine Lampe, er brauchte eine zusätzliche Lampe. Auf einer wackeligen Kommode stand eine, eine schäbige alte Tischlampe mit einem schiefen und eingerissenen Schirm und einer langen Schnur, an der aber kein Stecker war. Das machte einen weiteren Gang nach unten notwendig. Er holte noch eine starke Glühbirne aus dem Karton und fragte seine Mutter, ob sie
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