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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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mußte, sie mir zu holen, und dann kam natürlich alles heraus.«
    »Sie weiß also Bescheid. Oh, Gott sei Dank. Sie war bestimmt sehr böse, daß Sie es ihr verschwiegen hatten.«
    »Ich glaube, sie war auf eine merkwürdige Weise erleichtert. Sie hatte vermutet, daß etwas nicht in Ordnung war, und sich alle möglichen schrecklichen Dinge ausgemalt, aber sie hatte ihre Befürchtungen für sich behalten. Das ist das Problem in unserer Familie. Wir behalten immer alles für uns. Es hängt damit zusammen, daß wir Schotten sind, unabhängige und selbständige Leute, und daß wir niemandem zur Last fallen wollen. Wir sind so erzogen. Meine Mutter hat uns ihre Liebe nie sehr deutlich gezeigt und war nie besonders zärtlich, aber an dem Tag, als sie zur Apotheke gefahren und meine Tabletten geholt hatte, setzte sie sich zu mir aufs Bett, und wir redeten mehrere Stunden miteinander. Sie sprach sogar von Ian, was sie vorher noch nie getan hatte. Wir erinnerten uns an schöne Zeiten und lachten zusammen. Und dann sagte ich ihr, mir sei schon immer klar gewesen, daß ich nur der Zweitbeste sei und Ians Platz nie einnehmen könnte, und da wurde sie wieder die resolute Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt, und sagte, ich solle mich nicht so idiotisch anstellen. Ich sei ein erwachsener Mensch mit all seinen Vorzügen und Fehlern, und sie wolle mich gar nicht anders haben. Sie wolle nur, daß ich wieder gesund würde. Das hieß eine neue Untersuchung durch einen erfahrenen Arzt. Sobald ich mich von der Grippe erholt hatte, ging ich zu einem angesehenen Neurochirurgen und mußte tausend Fragen beantworten. Sie checkten mich wieder durch und machten ein Elektroenzephalogramm, und danach sagten sie mir, eine akkurate Diagnose sei erst möglich, wenn ich die Medikamente absetzte. Ich dürfe drei Monate lang keine Tabletten mehr nehmen und müsse die Untersuchungen dann noch einmal vornehmen lassen. Wenn ich vorsichtig sei, werde wahrscheinlich nichts passieren, aber ich solle in der Zeit auf keinen Fall Auto fahren und Alkohol trinken.«
    »Und wann sind die drei Monate um?«
    »Seit zwei Wochen.«
    »Wie töricht von Ihnen. Sie dürfen nicht noch mehr Zeit verlieren!«
    »Das hat Antonia auch gesagt.«
    Antonia. Penelope hatte sie fast vergessen. »Danus, was ist gestern abend passiert?«
    »Das meiste wissen Sie schon. Wir haben uns in der Bar getroffen und auf Sie gewartet, und als Sie nicht kamen, ist Antonia nach oben gegangen, um nachzusehen, ob etwas geschehen ist. Und während ich allein in der Bar saß, habe ich mir überlegt, was ich ihr alles sagen würde. Ich glaubte, es würde furchtbar schwierig werden, und habe nach den richtigen Worten gesucht und mir lächerliche gestelzte Sätze zurechtgelegt. Aber dann kam sie zurück, und sie trug die Ohrringe, die Sie ihr geschenkt hatten, und sie sah so unglaublich erwachsen und schön aus, daß all die einstudierten Worte auf einmal vergessen waren. Ich sagte ihr einfach, wie es in meinem Herzen aussah. Und während ich redete, fing auch sie an zu reden, und dann mußten wir beide lachen, weil wir sahen, daß wir genau das gleiche sagten.«
    »Oh, mein lieber Junge.«
    »Ich hatte solche Angst davor gehabt, ihr weh zu tun oder sie traurig zu machen. Sie war mir immer so jung und verletzlich vorgekommen. Aber ich erlebte eine Überraschung. Sie war enorm vernünftig und praktisch. Und genauso entsetzt wie Sie, als ich ihr sagte, daß ich schon zwei Wochen gewartet habe, ohne einen neuen Termin zu vereinbaren.«
    »Aber jetzt haben Sie es getan?«
    »Ja. Ich habe gleich heute morgen um neun angerufen. Am Donnerstag gehe ich zu dem Neurochirurgen und lasse ein neues Enzephalogramm machen. Ich werde das Ergebnis sofort erfahren.«
    »Rufen Sie bitte gleich in Podmore’s Thatch an und sagen Sie uns Bescheid.«
    » Selbstverständlich.«
    »Wenn Sie drei Monate keine Tabletten genommen haben, ohne wieder einen Anfall zu bekommen, kann es nicht allzu schlecht aussehen.«
    »Ich wage nicht darüber nachzudenken. Ich wage nicht zu hoffen.«
    »Aber Sie werden zu uns zurückkommen?«
    Zum erstenmal schien Danus unsicher zu sein. Er zögerte. »Ich weiß nicht«, sagte er zuletzt. »Und zwar deshalb, weil ich mich vielleicht behandeln lassen muß. Das könnte Monate dauern. Vielleicht muß ich in Edinburgh bleiben.«
    »Und Antonia? Was wird mit Antonia?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht mal, was mit mir wird. Im Augenblick weiß ich nicht, wie ich jemals in der Lage sein

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