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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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keinen ersichtlichen Grund dafür zu geben, aber eine Woche später passierte es wieder, und ich fühlte mich so sterbenselend, daß Sally Rogers mich in den Wagen packte und mich zu dem Arzt in Sleeping Creek brachte. Er hörte sich meine Leidensgeschichte an und nahm ein paar Untersuchungen vor. Eine Woche später fuhr ich wieder hin, und er sagte mir, daß ich Epilepsie hätte. Er gab mir ein Medikament, das ich viermal täglich einnehmen sollte. Er sagte, wenn ich es täte, würde alles glattgehen. Das sei alles, was er für mich tun könne.« Er verstummte. Penelope hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen, doch alles, was ihr einfiel, war abgedroschen oder banal. Es entstand eine lange Pause, und dann fuhr Danus stockend fort. »Ich war noch nie richtig krank gewesen. Ich hatte nie etwas Schlimmeres gehabt als Masern. Warum? wollte ich von dem Arzt wissen. Er stellte mir ein paar Fragen, und schließlich führten wir die Sache auf einen Tritt an den Kopf zurück, den ich in der Schule beim Rugby spielen bekommen hatte. Ich hatte damals eine Gehirnerschütterung gehabt, weiter nichts. Bis jetzt. Jetzt hatte ich Epilepsie. Ich war noch nicht ganz einundzwanzig, und ich war Epileptiker. «
    »Haben Sie es den Leuten gesagt, für die Sie arbeiteten? Sie scheinen sehr nett gewesen zu sein.«
    »Nein. Und von dem Arzt ließ ich mir versprechen, daß er seine Schweigepflicht nicht verletzen würde. Ich wollte nicht, daß es jemand erfuhr. Wenn ich nicht allein damit fertig werden konnte, würde ich eben nicht damit fertig werden. Ich flog schließlich wieder nach England, nach London, und von dort fuhr ich zurück nach Edinburgh. Ich hatte inzwischen beschlossen, daß ich auf den Studienplatz an der juristischen Fakultät verzichten würde. Ich hatte genug Zeit gehabt, um darüber nachzudenken, und war zu dem Ergebnis gekommen, daß ich niemals an Ians Stelle treten konnte. Außerdem hatte ich Angst davor, zu versagen und meinen Vater zu enttäuschen. Zudem hatte ich in jenen letzten Monaten noch etwas anderes herausgefunden. Daß ich viel im Freien sein mußte. Ich mußte etwas mit meinen Händen schaffen. Ich wollte nicht, daß jemand neben mir stand und Erwartungen in mich setzte, die ich nie erfüllen konnte. Ich sagte es meinen Eltern, und das war einer der schlimmsten Augenblicke meines Lebens. Zuerst glaubten sie es einfach nicht, und dann waren sie verletzt und schrecklich enttäuscht. Ich konnte ihnen daraus keinen Vorwurf machen. Ich machte all ihre Pläne zunichte. Schließlich fanden sie sich damit ab und versuchten, das Beste daraus zu machen. Aber nach alldem brachte ich es nicht über mich, ihnen von der Krankheit zu erzählen.«
    »Sie haben es ihnen nie gesagt? Wie konnten Sie es nur verschweigen?«
    »Mein Bruder war an Hirnhautentzündung gestorben. Ich fand, daß dieser eine Schicksalsschlag reichte. Was hätte es genützt, ihnen davon zu erzählen? Sie hätten bloß noch mehr Angst und Sorgen gehabt. Außerdem ging es mir ganz gut. Ich nahm die Tabletten und hatte keine Anfälle mehr. Im Grunde war ich vollkommen gesund. Ich brauchte nur zu einem jungen Arzt zu gehen, der sich gerade selbständig gemacht hatte. einem Mann, der nichts von mir und meiner Krankengeschichte wußte. Er gab mir ein Dauerrezept für meine Medikamente. Danach schrieb ich mich für drei Jahre an der Gartenbau-Akademie in Worcestershire ein. Das war ebenfalls sehr gut. Ich war ein ganz gewöhnlicher Gartenbaustudent. Ich lebte genauso wie die anderen. Ich trank am Wochenende einen über den Durst, ich hatte ein Auto, ich spielte Fußball. Trotzdem war ich Epileptiker. Ich wußte, daß alles wieder anfangen würde, sobald ich die Medikamente nicht mehr nähme. Ich bemühte mich, das zu verdrängen, aber man kann seinem Kopf nicht befehlen, was er denken soll. Es war immer da. Eine große Last, wie ein schwerer Rucksack, den man nie abnehmen kann.«
    »Wenn Sie sich jemandem mitgeteilt hätten, wäre er vielleicht nicht mehr so schwer gewesen.«
    »Am Ende habe ich es getan. Mir blieb nichts anderes übrig. Nach dem Examen bekam ich eine Stelle bei Autogarden in Pudley. Ich las eine Annonce in der Zeitung, bewarb mich und wurde genommen. Ich arbeitete dort bis Weihnachten vergangenen Jahres, und dann nahm ich ein paar Wochen Urlaub und fuhr nach Hause. Am Neujahrstag bekam ich eine schwere Grippe, und mir gingen die Tabletten aus. Ich konnte nicht selbst zur Apotheke gehen, so daß ich schließlich meine Mutter bitten

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