Die Muschelsucher
geschenkt. Die antiken Ohrringe, die Tante Ethel ihr hinterlassen hat. Ich wollte sie nicht annehmen, aber sie bestand darauf. Ich habe sie mitgebracht, sie sind oben in Podmore’s Thatch in meinem Zimmer. Wenn du meinst, ich sollte sie zurückgeben.«
»Warum solltest du sie zurückgeben?«
»Weil sie sehr wertvoll sind. Sie sind ungefähr viertausend Pfund wert. Ich habe irgendwie das Gefühl, ich sollte sie dir oder Nancy oder Nancys Tochter geben.«
»Wenn Mama gewollt hätte, daß einer von uns sie bekommt, hätte sie sie nicht dir geschenkt«, sagte Olivia lächelnd. »Und du hättest es mir nicht zu sagen brauchen, weil ich es schon weiß. Sie hat es mir von Cornwall aus geschrieben.«
Antonia war verwirrt. »Ich wüßte gern, warum.«
»Ich nehme an, sie dachte an dich und deinen guten Namen. Sie wollte nicht, daß jemand dich beschuldigen würde, sie aus ihrer Schatulle gestohlen zu haben.«
»Aber das ist ja richtig unheimlich! Sie hätte es dir erzählen können, als sie wieder in Podmore’s Thatch war.«
»Solche Dinge teilt man besser schriftlich mit.«
»Du glaubst doch nicht, daß sie eine Vorahnung hatte? Daß sie wußte, sie würde sterben?«
»Wir wissen alle, daß wir einmal sterben werden.«
Hochwürden Thomas Tillingham, der Pfarrer von Temple Pudley, kam am nächsten Morgen um elf nach Podmore’s Thatch. Olivia freute sich nicht auf den Besuch. Sie hatte so gut wie nie mit Pfarrern zu tun gehabt, und sie wußte nicht recht, wie sie aufeinander reagieren würden. Ehe er kam, versuchte sie, sich eine Taktik zurechtzulegen, was schwierig war, weil sie keine Ahnung hatte, was für ein Mensch er war. Vielleicht ein alter und ausgemergelter Herr mit salbungsvoller Stimme und Ansichten aus dem vorigen Jahrhundert. Oder jung und progressiv, mit bizarren Plänen, um die Religion den Erfordernissen der neuen Zeit anzupassen, jemand, der seine Schäfchen aufforderte, einander die Hand zu reichen und zu den Klängen der lokalen Popgruppe rhythmische Gospels zu singen. Beide Aussichten waren nicht ermutigend. Am meisten fürchtete sie sich jedoch davor, daß er sie auffordern würde, zusammen mit ihm niederzuknien und für die Seele der Verstorbenen zu beten. In diesem Fall, beschloß sie, würde sie Kopfschmerzen und Unwohlsein vorschützen und aus dem Zimmer laufen. Aber ihre Befürchtungen waren zum Glück allesamt unbegründet. Mr. Tillingham war weder zu jung noch zu alt, sondern einfach ein verbindlicher, freundlicher Herr Ende Vierzig mit Tweedsakko und Stehkragen. Sie verstand sehr gut, warum Penelope ihn dann und wann zum Dinner eingeladen hatte. Sie empfing ihn an der Tür und führte ihn in den Wintergarten, den angenehmsten Raum, den sie sich für die Unterredung vorstellen konnte. Das erwies sich als ein Geniestreich, denn sie sprachen sofort von Penelopes Topfpflanzen und dann von ihrem Garten, und so kam der Zweck des Besuchs ganz automatisch zur Sprache.
»Wir werden Ihre Mutter sehr vermissen«, sagte Mr. Tillingham. Es klang aufrichtig, und Olivia glaubte ohne weiteres, daß er nicht in Wahrheit die köstlichen Dinners meinte, auf die er fürderhin verzichten mußte. »Sie war selbstlos und freundlich, und sie hat das Leben in unserem Dorf auf ihre angenehme und unkonventionelle Art sehr bereichert.«
»Das hat Mr. Bedway auch gesagt. Er ist ein sehr netter Mann. Ich weiß das besonders zu schätzen, weil ich bisher noch nie mit einer Beerdigung konfrontiert war. Ich meine, ich habe noch nie eine organisieren müssen. Aber Mrs. Plackett und Mr. Bedway haben mich gleichsam unter ihre Fittiche genommen.« Wie auf ein Stichwort kam Mrs. Plackett mit einem Tablett mit Kaffee und Gebäck herein. Mr. Tillingham tat mehrere Löffel Zucker in seinen Becher und wandte sich den kirchlichen Geschäften zu. Es dauerte nicht lange. Penelopes Beerdigung würde am Sonnabend sein, um drei Uhr nachmittags. Sie einigten sich über die Form des Trauergottesdienstes und sprachen dann über die musikalische Untermalung.
»Meine Frau ist Organistin«, sagte Mr. Tillingham. »Sie würde sehr gern spielen, wenn Sie möchten.«
»Ich wäre ihr sehr dankbar. Aber bitte keine Trauermusik. Etwas Schönes, das die Leute kennen. Ich überlasse die Wahl ihr.«
»Und wie ist es mit Chorälen?« Sie einigten sich auf einen Choral. »Und eine religiöse Belehrung?«
Olivia zögerte. »Wie gesagt, Mr. Tillingham, ich kenne mich mit solchen Dingen gar nicht aus. Vielleicht überlasse ich die Entscheidung am
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