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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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»Zunächst möchte ich Ihnen dafür danken, daß Sie bereit waren, sich gleich nach der Beerdigung Ihrer verehrten Frau Mutter mit mir zusammenzusetzen. Ich hoffe, es hat Ihnen keine Umstände gemacht. Eine formelle Testamentseröffnung ist natürlich nicht unbedingt notwendig, aber es schien mir eine günstige Gelegenheit, Ihnen heute, wo Sie alle unter einem Dach versammelt sind, zu sagen, wie Ihre Frau Mutter über ihr Vermögen verfügt hat, und, falls nötig, alle Punkte zu klären, die Sie unter Umständen nicht ganz verstehen. Hm.« Mr. Enderby griff nach einem langen Umschlag unter den vor ihm liegenden Papieren und holte ein dickes Dokument heraus. Er faltete es auseinander und legte es auf den Tisch. Olivia sah, daß Noel den Blick abwandte und geflissentlich seine Fingernägel betrachtete gleich einem Schuljungen, der nicht dabei ertappt werden will, wie er bei einer Klassenarbeit verstohlen auf das Heft seines Nachbarn schielt. Mr. Enderby rückte seine Brille zurecht. »Dies ist der letzte Wille und das Testament von Penelope Sophia Keeling, geborene Stern, unterzeichnet am 8. Juli 1980.« Er blickte auf. »Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich es nicht im Wortlaut verlesen, sondern nur die Verfügungen Ihrer Mutter der Reihe nach aufzählen.« Sie nickten alle. Er fuhr fort. »Zunächst wären da zwei Legate für Nichtangehörige. Mrs. Florence Plackett, Hodges Road Nummer dreiundvierzig in Pudley, Gloucestershire, soll die Summe von zweitausend Pfund erhalten. Und Mrs. Doris Penberth, Dwarf Lane Nummer sieben in Porthkerris, Cornwall, soll fünftausend Pfund erhalten.«
    »Wie schön«, sagte Nancy, ausnahmsweise mit der Großzügigkeit ihrer Mutter einverstanden. »Mrs. Plackett ist ein Schatz. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, was Mutter ohne sie angefangen hätte.«
    »Und auch, daß sie an Doris gedacht hat«, sagte Olivia. »Sie war ihre liebste Freundin. Sie haben im Krieg zusammen in Mamas Elternhaus gelebt und sind sich sehr nahe gewesen.«
    »Ich glaube«, sagte Mr. Enderby, »ich habe Mrs. Plackett kennengelernt, aber ich kann mich nicht entsinnen, daß Mrs. Penberth heute bei uns war.«
    »Nein. Sie konnte nicht kommen. Sie hat angerufen. Ihrem Mann ging es nicht gut, und sie mochte es nicht verantworten, ihn allein zu lassen. Aber es war ein schwerer Schlag für sie.«
    »In dem Fall werde ich den beiden Damen schreiben und sie von dem Legat in Kenntnis setzen.« Er machte sich eine Notiz. »Hm. Damit wären wir bei den Angehörigen der Familie.« Noel lehnte sich zurück, langte in seine Brusttasche und zog seinen silbernen Füller heraus. Er fing an, damit zu spielen, löste die Kappe mit dem Daumen und ließ sie wieder zuschnappen. »Zunächst einmal wären da einige Gegenstände, die sie unter Ihnen verteilen wollte. Nancy soll den Regency-Sofatisch im Schlafzimmer bekommen. Ich glaube, sie hat ihn als Frisiertisch benutzt. Der Sekretär im Wohnzimmer, der früher Mrs. Keelings Vater, dem verstorbenen Lawrence Stern, gehört hat, ist für Olivia bestimmt. Und Noel soll den Eßzimmertisch haben und die acht dazugehörigen Stühle. Auf denen wir, glaube ich, im Moment sitzen.«
    Nancy wandte sich an ihren Bruder. »Wo willst du die in deinem winzigen Apartment denn hinstellen? Du hast ja nicht mal Platz für einen der Stühle.«
    »Vielleicht kaufe ich mir eine größere Wohnung.«
    »Dann mußt du schon eine mit Eßzimmer nehmen.«
    »Und wenn schon«, antwortete er barsch. »Fahren Sie bitte fort, Mr. Enderby.«
    Aber Nancy war noch nicht fertig. »Ist das alles?«
    »Ich verstehe nicht, Mrs. Chamberlain.«
    »Ich meine. Was ist mit ihrem Schmuck?«
    Jetzt geht es los, dachte Olivia. »Mama hatte keinen Schmuck, Nancy. Sie hat ihre Ringe vor vielen Jahren verkauft, um Vaters Schulden zu bezahlen.«
    Nancy zuckte innerlich zusammen. Sie reagierte jedesmal so, wenn Olivia in diesem harten Ton über den lieben längst von ihnen gegangenen Daddy sprach. Es gab keinen Grund, so gefühllos daherzureden, solche Dinge vor Mr. Enderby aufs Tapet zu bringen. »Und die Ohrringe von Tante Ethel? Die sie ihr hinterlassen hat? Steht von denen nichts drin?«
    »Die sind bereits vergeben«, sagte Olivia. »Sie hat sie Antonia geschenkt. «
    Ihre Mitteilung wurde mit Schweigen quittiert. Noel brach es schließlich. Er stützte einen Ellbogen auf den Tisch, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und sagte: »Großer Gott.« Olivia begegnete dem Blick ihrer Schwester, die an der anderen Seite der

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