Die Muschelsucher
Ihr Herz beruhigte sich. Sie machte die Augen wieder auf. Es läutete.
Sie ging durch den Windfang und öffnete. Er stand vor ihr.
Großgewachsen. Größer als sie. Er sagte: »Guten Morgen.«
»Guten Morgen.«
»Mrs. Keeling?«
»Ja.«
»Ich bin von Autogarden.« Er lächelte nicht. Er sah sie unverwandt an. Seine Augen waren von einem klaren Blau, sein etwas hageres Gesicht war von der Kälte ein wenig gerötet, und die Haut spannte sich über den hohen Wangenknochen. Er hatte einen roten Wollschal um den Hals, aber er trug keine Handschuhe.
Sie schaute über seine Schulter hinweg. »Ich dachte, ich würde ein Auto kommen hören.«
»Ich bin mit dem Fahrrad gekommen. Es steht am Tor. Ich wußte nicht genau, ob dies das richtige Haus ist.«
»Ich dachte, Autogarden schickt seine Leute immer mit diesen grünen Transportern.«
»Nein. Ich fahre nicht.« Penelope runzelte die Stirn. Er langte in die Tasche. »Ich habe einen Brief von meinem Chef dabei.« Er holte ihn heraus, faltete ihn auseinander. Sie sah den Briefkopf, den Nachweis seiner Identität, und wurde verlegen. »Ich habe keine Sekunde lang geglaubt, daß sie nicht von Autogarden sind. Ich habe nur gedacht.«
»Ist das Podmore’s Thatch?« Er steckte den Brief wieder ein. »Ja, natürlich. Kommen Sie doch herein.«
»Nein, danke. Ich möchte Sie nicht stören. Wenn Sie mir nur zeigen könnten, was ich machen soll. und wo die Geräte sind. Da ich mit dem Rad gekommen bin, habe ich nichts mitbringen können.«
»Oh, das macht nichts, ich habe alles da.« Sie wußte, daß ihre Stimme aufgeregt klang, aber das kam daher, daß sie aufgeregt war. »Wenn. wenn Sie einen Moment warten würden, ich ziehe nur schnell etwas über.«
»Selbstverständlich.«
Sie zog ihre Stiefel und ihre Jacke an und nahm den Garagenschlüssel vom Haken. Als sie wieder hinausging, sah sie, daß er sein Fahrrad geholt und an die Hauswand gestellt hatte. »Es stört Sie hier doch nicht, nicht wahr?«
»Natürlich nicht.«
Sie ging ihm voran zur Garage und schloß die Türen auf. Er half ihr beim Öffnen, sie knipste die Lampe an, und drinnen herrschte das übliche Chaos: ihr alter Volvo, die drei Kinderfahrräder, die sie der Erinnerung wegen behalten hatte, ein Kinderwagen mit grünlichen Schimmelstellen, der Motormäher, eine Kollektion von Harken und Hacken, Spaten und Forken.
Sie bahnte sich einen Weg zu der wackeligen alten Kommode, einem Relikt aus der Oakley Street, wo sie Hammer und Schraubenzieher, rostige Dosen mit Nägeln, Blumendraht und Schnurenden aufbewahrte. Die Kettensäge lag obenauf. »Können Sie damit umgehen?«
»Sicher.«
»Hm, wir sehen besser nach, ob noch Benzin da ist.« Es war zum Glück noch etwas da, nicht viel, aber genug.
»Wenn Sie zuerst vielleicht die Weißdornhecke schneiden würden.«
»Sehr gut.« Er schulterte die Säge und nahm mit der anderen Hand den Benzinkanister. »Zeigen Sie mir nur den Weg.« Aber sie führte ihn hin, um sicherzugehen, daß er nichts falsch machte. Sie ging ihm voran um das Haus, über den reifbedeckten Rasen, durch die Lücke in der Ligusterhecke und über die Obstwiese.
»Sie haben hier einen schönen Besitz«, bemerkte er. »Ja. Ja, es ist sehr schön. So. Ich möchte, daß Sie bis hier herunterschneiden. Nicht niedriger.«
»Wollen Sie die dickeren Zweige für den Kamin aufbewahren?« Daran hatte Penelope noch nicht gedacht. »Lohnt es sich denn?«
»Brennt sehr gut.«
»In Ordnung. Legen Sie die Stücke zur Seite, die, die Sie für geeignet halten. Den Rest verbrennen Sie bitte.«
»Gut.« Er legte die Säge hin und stellte den Kanister daneben. »Dann kann ich ja anfangen.«
Sein Ton sagte ihr, daß sie gehen solle, aber sie wollte noch nicht gehen. »Werden Sie den ganzen Tag bleiben?«
»Bis halb fünf, wenn es Ihnen recht ist. Im Sommer fange ich dann um acht an und bleibe bis vier.«
»Machen Sie eine Mittagspause?«
»Ja, eine Stunde. Von zwölf bis eins.«
»Hm.« Sie redete zu seinem Rücken. »Wenn Sie etwas brauchen, ich bin im Haus.«
Er hockte vor der Säge und schraubte mit langen, geschickten Fingern den Deckel ab. Er antwortete nicht auf ihre Bemerkung, sondern nickte nur. Sie sollte das Gefühl haben, daß sie überflüssig war, ihn störte. Sie drehte sich um und ging zurück durch den Garten und war ein bißchen ärgerlich, aber zugleich imponierte ihr die Art, wie er sich durchgesetzt hatte. Die halbvolle Kaffeetasse wartete auf dem Küchentisch. Sie nahm einen
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