Die Muse des Mörders (German Edition)
wirklich vorbildlich gemeistert.«
Dominik wollte etwas erwidern, irgendeine Floskel zwischen die überschwänglichen Worte werfen, aber Reinhardt brachte ihn mit einer schnittigen Handbewegung zum Schweigen.
»Aber …« Der Oberstleutnant hob die Stimme und beugte sich über den Tisch. »Aber Ihre Arbeit ist noch nicht getan. Ich möchte, dass Sie sich der Dolchstoßserie mit genau der gleichen Energie, mit der gleichen Leidenschaft und der gleichen Selbstaufgabe widmen, wie Sie es schon bei der Giftaffäre getan haben.«
»Selbstverständlich.« Es fiel Dominik schwer, den theatralischen Gesichtsausdruck seines Vorgesetzten zu ignorieren und ihm nicht an die Kehle zu springen. »Mein Team und ich werden unser Bestes tun.«
»Ihr Bestes, mein lieber Greve, wird nicht reichen. Ich verlange Ihr …« Reinhardt donnerte die Faust auf den Tisch, ein paar Zettel flatterten zu Boden. »… Allerbestes!«
Dominik tat ihm nicht den Gefallen, zusammenzuzucken. Stattdessen nickte er erneut und lehnte sich nun seinerseits zurück. Es machte keinen Sinn, mit Reinhardt zu diskutieren, das hatte es noch nie getan. Auch wenn er innerlich kochte, schwieg er. Er wusste, dass sein Chef zur Dramatik neigte. Immer wenn es eng wurde, geriet er durch den Druck der Medien in eine Hektik, die jedes Gespräch und jeden Kontakt mit ihm unerträglich machte.
»Natürlich«, sagte Dominik. »Wir kriegen diesen Kerl.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch, Greve. Ich gehe nicht davon aus, dass Sie vorhaben, nachlässig zu werden oder Ihre privaten Bedürfnisse in den Vordergrund zu drängen. Dafür ist Ihnen Ihre Anstellung viel zu wichtig. Ich fürchte nur, dass Sie sich eventuell überschätzen könnten.«
»Sicher nicht.« Dominik war die Drohung in den Worten seines Chefs nicht entgangen. »Wie schon gesagt, wir werden unser Bestes geben.«
»Allerbestes.«
»Ja.«
»Die Medien, Greve, sind unser größter Feind. Nicht dieser Mörder, nicht der Polizeipräsident, sondern diese schmierigen kleinen Reporter. Die warten nur darauf, uns zerfleischen zu können, wenn wir diese Mordserie ebenso eskalieren lassen wie die Giftaffäre. Wir müssen die Vorfälle in den Griff bekommen.«
»Sie hätten direkt mich auf diesen Fall ansetzen sollen und nicht Treger.«
»Wie hätten Sie das machen wollen? Zwei Fälle gleichzeitig? Sie überschätzen sich. Treger war ein Fehler, das gebe ich zu. Er hat zu viel gedacht und zu wenig gehandelt, aber das werden Sie nicht tun, wie ich Sie kenne.« Reinhardt lehnte sich erneut zurück und verschränkte die Arme. Das Gespräch war beendet und Dominik stand auf.
»Ich mache mich wieder an die Arbeit.«
»Gerne. Halten Sie sich immer vor Augen: Nicht denken, sondern handeln. Fassen Sie den Dreckskerl. Es sind genug Menschen gestorben. Die Stadt braucht jetzt einen Schuldigen.«
16.
Seit sie zu Hause losgefahren waren, hatte Madeleine versucht, sich innerlich für diesen Moment zu wappnen. Schon der Weg hierher, vorbei an zahllosen Weinschenken, war voller Erinnerungen gewesen. Paul war einer der wenigen Menschen gewesen, die weder sentimental noch gemein wurden, wenn sie getrunken hatten, und so hatte sie es immer genossen, mit ihm bei einem guten Glas zusammenzusitzen. Oder auch bei einer Reihe guter Gläser.
Als sie nun die Tür zu Pauls Haus in Grinzing öffnete, wurde ihr schwer ums Herz. Dicht gefolgt von Lucy trat sie ein und ein Hauch von Pauls Aftershave schlug ihr entgegen, als käme sein Geist auf sie zu, um sie willkommen zu heißen. Lucy schloss die Tür und fragte, ob sie irgendetwas tun konnte. Ihre Stimme klang nervös, voll bemühter Leichtigkeit. Trotzdem war Madeleine froh, sie auf ihr besorgtes Drängen hin mitgenommen zu haben und nicht allein in dem großen Haus zu sein. Sie bat Lucy, ihnen einen Kaffee zu machen, und stieg dann langsam die Treppe in den ersten Stock hinauf.
Pauls Haus war heller und moderner eingerichtet als ihres. Er besaß nicht viele Kunstgegenstände, aber die, die er hatte, waren wertvoll. Er war ein Kenner gewesen, für den Kultur genau der richtige Ausgleich zum stressigen Job gewesen war. Vor vielen Jahren hatte er Madeleine offenbart, dass er selbst gern Schriftsteller geworden wäre. Ihm habe allerdings das nötige Talent gefehlt, hatte er mit einem Augenzwinkern hinzugefügt. Sie musste schmunzeln, als sie daran dachte, wie sie gemeinsam an der Dramatik und am Ausdruck seiner Plädoyers gefeilt hatten. Paul hatte sich anschließend
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